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IWF-Chefin Christine Lagarde
© Reuters/Jonathan Ernst

Griechenland: Kompromiss mit Bauchschmerzen

Griechenland bekommt nach einem Beschluss der Euro-Gruppe frische Hilfsmilliarden. Doch so richtig glücklich sind mit dem Kompromiss nur wenige - auch nicht die IWF-Chefin Lagarde.

Eine Pleite Griechenlands ist wieder einmal abgewendet. Nachdem die Euro-Finanzminister am Donnerstagabend frische Kredite in Höhe von 8,5 Milliarden Euro bewilligt hatten, zeigte sich der griechische Regierungschef Alexis Tsipras erleichtert. „Wir schlagen eine neue Seite auf“, twitterte der Chef der linken Syriza-Partei. Doch einige, die an dem jüngsten Griechenland-Deal von Luxemburg beteiligt waren, äußerten auch Bedenken. Die Vereinbarung, mit deren Hilfe Griechenland alte Schulden in Höhe von sieben Milliarden Euro im Juli ablösen kann, sei nur die „zweitbeste Lösung“, sagte die IWF-Chefin Christine Lagarde.

Weniger als zwei Milliarden Dollar im IWF-Programm

Die Direktorin des Internationalen Währungsfonds äußerte sich deshalb so zurückhaltend, weil sie am liebsten bereits jetzt feste Zusagen über Schuldenerleichterungen von Griechenlands Euro-Partnern gesehen hätte. Die wird es – wenn überhaupt – voraussichtlich erst nach der Bundestagswahl geben. Aus diesem Grund beteiligt sich auch der IWF nur unter Vorbehalt an den derzeitigen Hilfszahlungen für Griechenland: Das neue „Stand-By“-Programm des IWF mit einem Volumen von weniger als zwei Milliarden Dollar (1,8 Milliarden Euro) soll erst dann aktiviert werden, wenn sich die Euro-Staaten auf Schuldenerleichterungen geeinigt haben.

DIW-Chef Fratzscher: Kompromiss widerspricht dem Bundestags-Beschluss

Nach der Ansicht von Marcel Fratzscher, des Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), ist die späte finanzielle Beteiligung des IWF bedenklich. Das Vorgehen widerspreche „dem Geist dessen, was im Bundestag beschlossen wurde“, sagte Fratzscher am Freitag in Berlin. Der Bundestag hatte bei seiner Zustimmung zum dritten Griechenland-Hilfspaket im Jahr 2015 eine Beteiligung des IWF zur Bedingung gemacht.

Schäuble: Kein neues Mandat des Bundestages nötig

Dagegen sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nach dem Beschluss der Euro-Finanzminister, dass die spätere Auszahlung der IWF-Kredite an Griechenland nicht zu einer wesentlichen Änderung des Hilfsprogramms führe. Eine solche Änderung würde ein erneutes Mandat des Bundestages nötig machen. Schäuble warnte, dass eine entsprechende Entscheidung des Haushaltsausschusses „neue Unruhe an den Märkten, neue Unsicherheiten, bringen würde“.

Am Freitag wurden die Obleute der Fraktionen im Haushaltsausschuss vom Finanzministerium über den Griechenland-Kompromiss von Luxemburg unterrichtet. Der SPD-Haushaltsexperte Johannes Kahrs sagte der Nachrichtenagentur Reuters, er werde seiner Fraktionsführung empfehlen, die jüngste Einigungsformel zur Freigabe neuer Griechenland-Hilfen und zur Beteiligung des IWF im Parlamentsplenum zu behandeln.

SPD-Chef Schulz kritisiert Schäuble

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz begrüßte die Griechenland-Einigung unter den Euro-Staaten als Schritt in die richtige Richtung. „Aber er bedeutet nicht das Ende der Krise. Dazu hätte es mehr Mut gebraucht“, sagte der SPD-Chef am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. Schulz kritisierte das Verhalten von Schäuble, der über weitere mögliche Schuldenerleichterungen für Athen erst später entscheiden will. „Auch Wolfgang Schäuble muss endlich begreifen: Wir können nicht länger auf Zeit spielen.“ Vor dem Hintergrund der internationalen Lage werde ein starkes und handlungsfähiges Europa gebraucht - „kein Europa der Taktiererei und der Selbstblockade“, sagte Schulz. Clemens Fuest, Chef des Münchner Wirtschaftsforschungsinstituts ifo, sagte derweil, es sei „hilfreich“, wenn der IWF beim aktuellen Hilfsprogramm für Griechenland weiter an Bord bleibe. Allerdings müssten die entscheidenden Impulse zur Wiederbelebung der griechischen Wirtschaft aus dem Land selbst und nicht von außen kommen, betonte der ifo-Chef.

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