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Ausgebrannte Unterkunft in Friemar. Die Stimmung in Thüringen ist angespannt.
© dpa

Flüchtlinge in Deutschland: Kommunen in Thüringen machen dicht

Ein erster Landkreis stoppt die Aufnahme von Flüchtlingen. Das ist auch eine Bewährungsprobe für die rot-rot-grüne Koalition

Der Wartburgkreis hat in der Flüchtlingskrise die weiße Fahne gehisst. Als erster Landkreis in Thüringen will er vorerst keine Asylsuchenden mehr aufnehmen. Landrat Reinhard Krebs (CDU) schrieb diese Woche in einem Brief an Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke), „dass unsere Möglichkeiten zur Unterbringung von Asylbewerbern endgültig erschöpft sind“.

Schon im August hatte Krebs den Notstand nach Erfurt gemeldet. Nun macht der Landkreis tatsächlich dicht. Laut Krebs stehen neue Plätze für Asylbewerber erst ab Dezember zur Verfügung. Bis dahin ließen sich weitere Flüchtlinge nur in Schulsporthallen unterbringen. „Ich möchte Sie darüber informieren, dass ich nicht gewillt bin, dies zu tun“, schrieb der Landrat an Ramelow. Zum einen, weil Turnhallen für Flüchtlinge, besonders wenn diese traumatisiert seien, keine geeignete Unterkunft darstellten; zum anderen weigere er sich, „den Schul- und Vereinssport auf Monate lahmzulegen“.

Aufgeheizte Stimmung

Die Ankündigung wirft ein Schlaglicht auf die angespannte Lage in Thüringen. Viele Kommunen sehen sich an den Grenzen ihrer Möglichkeiten, die Mehrheit der Bevölkerung hat Angst wegen der Zuwanderung und die politische Auseinandersetzung ist aufgeheizt. Die AfD demonstriert jede Woche in der Landeshauptstadt gegen das „Asyl-Chaos“ – und Tausende laufen mit. Am Mittwochabend forderte der brandenburgische AfD-Chef Alexander Gauland als Gastredner unter tosendem Applaus: „Weg mit dem Asylrecht. Grenzen zu.“

Migrationsminister Dieter Lauinger (Grüne) sagt, auch er spüre Ängste und Sorgen in der Bevölkerung. „Da hilft nur aufklären, aufklären, aufklären.“ Ohne Zuwanderung würden die Sozialsysteme in Deutschland zusammenbrechen. Die rot-rot-grüne Koalition, die – bundesweit einmalig – unter Führung eines Linken-Politikers steht, sorgt durchaus für einen anderen Ton in der Asyldebatte. So erließ die Regierung Ende 2014 einen Winterabschiebestopp für abgelehnte Asylbewerber. Sie setzt vor allem auf freiwillige Ausreise.

An den Sachzwängen freilich kann auch Rot-Rot-Grün nichts ändern. Etwa daran, dass die Kosten für Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge im kommenden Jahr voraussichtlich auf 469 Millionen Euro steigen, 2017 sollen es sogar auf 598 Millionen sein. „Damit ist Thüringen am Limit seiner Leistungsfähigkeit“, sagt Finanzministerin Heike Taubert (SPD). Zum Vergleich: 2014 wurden nur 48 Millionen Euro für Flüchtlinge ausgeben.

Fast 60 Prozent der Thüringer macht die Flüchtlingszahl Angst

Wie in anderen ostdeutschen Bundesländern sieht die Bevölkerung den Zustrom überwiegend mit Sorgen – auch das wohl ein Erbe der DDR, in der „Internationalismus“ gepredigt, aber nicht gelebt wurde. Zwar wurden jüngst auf dem Saalfelder Bahnhof Flüchtlinge herzlich willkommen geheißen, viele Menschen engagieren sich ehrenamtlich und spenden. Aber laut einer MDR-Meinungsumfrage gaben bereits Mitte September 59 Prozent der Befragten an, dass ihnen die Flüchtlingszahl Angst mache. In Sachsen waren es dem Sender zufolge 60 Prozent und in Sachsen-Anhalt 52 Prozent. Der Bundesdurchschnitt lag da erst bei 38 Prozent.

Zudem nehmen die Spannungen zu. Am Sonntag wurde in Friemar unweit von Erfurt erstmals eine bewohnte Unterkunft angegriffen. Rot-Rot-Grün gibt der AfD eine Mitschuld. „Brandreden werden zu Brandsätzen“, sagt Linken-Landeschefin Susanne Hennig-Wellsow.

Die CDU macht Front

Die Asylpolitik der rot-rot-grünen Landesregierung stößt jedoch nicht nur bei der AfD auf Kritik. So wettert die CDU gegen eine vermeintlich zu lasche Abschiebepraxis und sieht die Regierung überfordert. CDU-Fraktionschef Mike Mohring zeigte sich nach einem Besuch in der Erstaufnahme-Einrichtung Suhl im August entsetzt. Die Einrichtung sei katastrophal überbelegt, es gebe Schimmel und Wasser in den Fluren, aber keine Türen vor den Duschen. „Ich habe solche Zustände noch nie erlebt“, sagte Mohring. In der Einrichtung, die mit aktuell knapp 1800 Bewohnern die größte in Thüringen ist, kam es im August zum bundesweit ersten bekannt gewordenen Krawall in einem Asylheim. Auslöser war ein religiöser Streit.

Nun kriselt es in der rot-rot-grünen Koalition selbst. Die SPD verlangt von Ramelow und seiner Linken unmissverständlich, dass Thüringen dem Asylkompromiss nächste Woche im Bundesrat zustimmt. Anderenfalls, so die SPD-Kreisvorsitzenden, stehe die Koalition „infrage“.

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