Tesla und BASF: Kommt Brandenburg jetzt ganz groß raus?
Nach Tesla will auch BASF in Brandenburg groß investieren. Kommt das Bundesland jetzt ganz groß raus und drängt Berlin an den Rand? Fragen und Antworten.
In der Mark geht es mit Industrie-Ansiedlungen Schlag auf Schlag: Erst jüngst hatte Tesla-Chef Elon Musk den Bau der Europa-Gigafabrik des Konzerns für Elektroautos im brandenburgischen Grünheide unweit von Berlin angekündigt, was mit vier Milliarden Euro und 8000 Jobs das größte Industrieprojekt in der Hauptstadtregion wäre.
Jetzt folgt prompt die nächste Großinvestition: Brandenburg hat beste Chancen, dass der BASF-Konzern am Standort Schwarzheide in der Lausitz seine geplante neue Fabrik für Batteriechemikalien errichtet, die für Elektroautos verwendet werden. Ein Überblick, warum Brandenburg plötzlich so einen Lauf hat.
Worum geht es bei dem Batteriewerk?
In dem neuen Werk, dass der BASF-Konzern schon länger plant, sollen Katodenmaterialien, also spezielle Chemikalien hergestellt werden, die für Batterien von Elektroautos benötigt werden. Nach Tagesspiegel-Informationen handelt es sich um eine 400-Millionen–Investition.
Die Pläne haben einen europäischen Hintergrund: Deutschland hat in Brüssel – wie Frankreich und andere Staaten – Programme zum Aufbau einer europäischen Batteriezellenproduktion angemeldet. Der deutsche Antrag war gemeinsam mit vier Firmen gestellt – BASF ist eine davon.
Die EU-Kommission hat Anfang der Woche 3,2 Milliarden Euro Subventionen für Batteriezelleninvestitionen in Europa für zulässig erklärt. Mit dem grünen Licht aus Brüssel ist eine wichtige Hürde für das Projekt in der Lausitz genommen.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat das – ausdrücklich in Bezug auf die Pläne für Schwarzheide – so kommentiert: „Das ist ein großer Durchbruch“, sagte er der „Bild“-Zeitung. Und: „Wir werden in wenigen Jahren die erste industrielle Fertigung von Batteriezellen mit mehreren tausend Arbeitsplätzen erleben. BASF hat eine enorme Kompetenz im Bereich von Kathoden-Materialien.“
Was spricht denn für Schwarzheide?
Das BASF-Chemiewerk in Schwarzheide an der Grenze zu Sachsen mit 1750 direkten Mitarbeitern und weiteren 1700 im Umfeld ist bereits ein indstrieller Leuchtturm für die Lausitz, für Brandenburg, und auch innerhalb des BASF-Konzerns von Gewicht: Colin von Ettingshausen, kaufmännischer BASF-Geschäftsführer und Arbeitsdirektor, hat etwa Ende August am Ort auf einer DGB-Konferenz in Anwesenheit der beiden Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (Brandenburg/SPD) und Michael Kretschmer (Sachsen/CDU) erklärt, dass Schwarzheide „schon jetzt der drittgrößte Produktionsstandort des BASF-Konzerns in Europa“ und zu den „Top Ten“ unter den 360 Standorten weltweit gehöre.
Bislang werden hier vor allem Schaum- und Kunststoffe hergestellt. Die BASF hatte nach seinen Worten 1990 das frühere DDR-Synthesewerk Schwarzheide unter anderem deshalb übernommen, weil es bereits damals technologisch vorn gelegen habe und die Kompetenz der Belegschaft „exzellent“ gewesen sei.
„Davon profitieren wir heute noch“, sagte Ettingshausen. Schon auf der DGB-Konferenz hatten am Rande die Pläne für die Batteriechemikalien-Produktion eine Rolle gespielt. BASF Schwarzheide sieht sich strategisch als „Tor zum Osten“. Das hat auch mit der Schienenanbindung zu tun, die in den letzten Jahren ausgebaut wurde. „Wir wollen erster Anlaufpunkt in Deutschland für die sogenannte ,Neue Seidenstraße’ werden“, sagte Jürgen Fuchs, Geschäftsführer der BASF Schwarzheide GmbH Anfang 2019. Denn der Schienenweg bis nach China werde weiter an Bedeutung gewinnen.
Wie sicher ist die Ansiedlung?
Endgültig unter Dach und Fach ist die nächste Großinvestition nach Tesla natürlich erst, wenn es offiziell bekannt gegeben wird, etwa Verträge unterzeichnet sind. Und so weit will der BASF-Konzern noch nicht gehen. Die Standortentscheidung soll nächstes Jahr fallen, sagte BASF-Sprecherin Christine Haupt auf Anfrage: „BASF will mit ihren Batteriematerialien zum Aufbau einer nachhaltigen Batterie-Wertschöpfungskette für Elektrofahrzeuge in Europa beitragen.“
Der Konzern begrüße die beihilferechtliche Genehmigung der Kommission. „BASF hat bereits die Absicht einer Investition in eine Produktionsanlage für Vorprodukte von Kathodenmaterialien in Harjavalta/Finnland bekanntgegeben“, sagte Haupt. „Eine endgültige Entscheidung zu einer weiteren Produktionsanlage, die darauf aufbauend die Kathodenmaterialien herstellen würde, ist noch nicht gefallen.“ Über weitere Details werde BASF zum passenden Zeitpunkt informieren.
Konkurrenzstandorte sind allerdings bislang nicht bekannt oder genannt geworden. Dem Vernehmen nach will BASF vor der Ankündigung auf verbindliche Zusagen über Fördermittel warten, die Teil des Investition sind. Angesichts der – anders als im Fall Tesla – noch ausstehenden Unternehmensankündigung hielt sich Brandenburgs Landesregierung am Dienstag sicherheitshalber bedeckt.
Am Vorabend hatte Vize-Regierungschef Michael Stübgen (CDU) allerdings bereits von einem „Signal für die Lausitz“ gesprochen. Das Projekt sei noch nicht fix, sagte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) dem rbb. „Ich hoffe sehr, dass die Entscheidung für den Standort Schwarzheide fällt, er bietet alles, was gebraucht wird, aber ich kann nicht bestätigen, dass die Entscheidung schon gefallen wäre.“
Als Woidke im Februar 2019 den BASF-Hauptsitz in Ludwigshafen besuchte, hatte BASF-Manager Uwe Liebelt, Aufsichtsratschef in Schwarzheide, bereits einen Ausbau des Standortes angekündigt: „Die BASF ist bestrebt, im Sinne ihrer neuen Unternehmensstrategie, Schwarzheide zu stärken und weiterzuentwickeln.“ Als Schwerpunkte nannte er „Produktion, Digitalisierung und Nachhaltigkeit“.
Was bedeutet das für Brandenburg?
Vor allem die Lausitz braucht dringend tausende Industriejobs für die Zeit nach dem beschlossenen Ausstieg aus der Braunkohle bis 2038. Bund und Land stehen im Wort. Für den Strukturwandel stehen Milliarden bereit. Für das Land, sein Image, auch für die nun regierende Kenia-Koalition könnten solche Schlagzeilen kaum besser sein: So wird Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) heute im Landtag in Potsdam die erste Regierungserklärung für das neue Kenia-Bündnis aus SPD, CDU und Grünen abgeben.
Schon vorher hat er mehrfach als Ziel ausgegeben, Brandenburg zu einem „Vorreiterland der Energiewende in Deutschland“ machen zu wollen. Und zwar, indem erneuerbare Energien wie die Windkraft für klimafreundliche Industrieproduktion genutzt werden sollen. So hatte Woidke es bereits beim Tesla-Coup formuliert.
Auch am BASF–Standort Schwarzheide spielt genau diese Philosophie eine Rolle: Hier soll im Zuge einer nachhaltigen Konzernstrategie versucht werden, das Werk aus naheliegenden Windparks sicher mit Strom zu versorgen. „Es stehen 180 Megawatt Windkraftanlagen vor der Tür“, sagte Woidke im Sommer vor Ort. „Den Strom zu nutzen, um klimaneutral zu produzieren, ist die Herausforderung.“
Hat das mit dem Tesla-Projekt zu tun?
Einen direkten Zusammenhang beider Großinvestitionen gibt es nicht. Die Vorbereitungen für die Batteriefabrik, die in das nun von der EU genehmigte europäische Batteriezellenprojekt eingebettet ist, reichen länger zurück als das Tesla- Vorhaben. Aber natürlich wird das BASF-Management das genau im Blick haben. Für die Entscheidung spiele auch die „Nähe zu Märkten“ eine Rolle, hieß es am Dienstag.
Fest steht, dass Brandenburg attraktiver ist für solche Ansiedlungen, die mit Energiewende und Elektromobilität zu tun haben. So hatte im November nach Tesla der US-Batteriehersteller Microvast verkündet, dass er in Ludwigsfelde südlich von Berlin eine Fabrik errichten will, um dort Batteriesysteme für Transporter, LKW, Sport- und Geländewagen zu fertigen, im ersten Schritt eine 41-Millionen-Investition, am Ende eine in dreistelliger Millionenhöhe, wie es hieß. Außerdem verlagert Microvast seine Europa-Zentrale von Frankfurt/Main nach Ludwigsfelde.
Stellt Potsdam Berlin in den Schatten?
Jenseits von Eitelkeiten hier, und Empfindlichkeiten da, ist es eher so: Jeder spielt seine Stärken aus. Für Industrieansiedlungen solcher Dimensionen, ob Tesla oder auch voraussichtlich BASF, hat nur Brandenburg die Möglichkeiten. Dafür benötigt man große Industrieflächen, preiswert, als solche ausgewiesen, mit geringem Risiko von Klagen.
Innerhalb einer Stadt – erst Recht in Berlin – dürfte das illusorisch sein, obwohl Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) bei Musk für die Tesla-Fabrik in Marzahn oder Berlin-Buch geworben hatte. In der Wirtschafts- und Ansiedlungspolitik machen die Brandenburger ihre Sache augenscheinlich aktuell ganz gut. Allerdings gilt auch hier, dass das Ergebnis und nicht die Ankündigung zählt.
Wie entwickelt sich der Arbeitsmarkt in Brandenburg?
Generell steigt die Arbeitslosenquote mit der Entfernung von Berlin. Am höchsten ist sie, mit 9,9 Prozent, in der Uckermark, im Brandenburger Nordosten zwischen Polen und Mecklenburg-Vorpommern. Aber auch im Kreis Oberspreewald-Lausitz, wo jetzt die Batteriefabrik entstehen soll, liegt die Quote bei 7,3 Prozent.
Auch Brandenburg an der Havel hat mit 7,7 Prozent Arbeitslosigkeit die Strukturkrise noch lange nicht überwunden. Grundsätzlich tun sich die Städte schwerer als die Flächenkreise. In Cottbus und Frankfurt/Oder haben 7,1 Prozent keinen Job. Praktisch Vollbeschäftigung herrscht im Kreis Dahme Spreewald mit 3,4 Prozent Arbeitslosigkeit. Hier ist der hoffentlich im Oktober 2020 eröffnende Flughafen BER jetzt schon die Jobmaschine.