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Eine Polizistin im Dienst. Es werden mehr, aber es fehlen noch viele - gerade in der Bundespolizei.
© imago/Winfried Rothermel

Großmäuler isolieren!: Kommen mehr Frauen zur Polizei, werden die Rechtsextremen weniger

Rechtlich ist menschenverachtende Tendenzen in Sicherheitsbehörden wenig zu machen. Es braucht eine bessere Gesellschaft. Ein Kommentar.

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul spielt sonst den Sheriff, der mit gesundem Rechtsempfinden böse Buben jagt, ohne dabei ständig im Gesetzbuch zu blättern. In der Affäre um rechtsextreme Netzwerke in seiner Polizei wirkt er ungewohnt ratlos. Mehr als 30 Polizisten sollen per Chat allerlei Hitlerbilder und Hakenkreuze ausgetauscht haben. Reul hatte mal erwogen, seinen Beamten zu verbieten, im Dienst private Handys zu nutzen. Das hilft wohl nichts, darauf ist er dann selbst gekommen. Jüngste Idee: Pflichtbesuche in NS-Gedenkstätten. Reul, man ahnt es, war Lehrer im früheren Leben.

Sie merken nicht, wie sie sich isolieren

So schlecht ist der pädagogische Ansatz nicht, denn der rechtliche gestaltet sich schwierig. Zwar laufen ein paar Ermittlungsverfahren. Aber man wird sehen, ob es hier für Anklagen reicht. In geschlossenen Chatgruppen ist einiges erlaubt, mit begrenzter Teilnehmerzahl sind sie eine Art digitales Wohnzimmer. Polizisten per Disziplinarklage aus dem Dienst zu schmeißen, stößt ebenfalls auf Hürden. Bei aller Art Nazikrempel sind Gerichte zwar empfindlich. Doch es ereignet sich auch viel Menschwürdeverachtung unterhalb der Nazischwelle.

Zudem muss zwischen Machern und Mitläufern unterschieden werden. Viele laufen ja nicht mal richtig mit; sie wollen nur bei etwas dabei sein, von dem sie denken, da treffen sich ihre Freunde. Und merken nicht, wie sie sich isolieren, wenn die üblichen Großmäuler die schmutzigsten Witze und die hässlichsten Parolen verbreiten.

Neben dem erzieherischen könnte deshalb der gesellschaftliche Ansatz verfolgt werden, soll heißen: Polizisten in gute Gesellschaft zu bringen. Allen voran in die von Frauen. Der Nachholbedarf bleibt erheblich, insbesondere in einem Männerladen wie der Bundespolizei und insbesondere in Führungsjobs. Die Anwesenheit von Frauen in Männerrunden wirkt, wie allgemein bekannt sein dürfte, ungemein disziplinierend. Sie finden Herabwürdigungen aller Art meist weniger amüsant. Ein anderes Beispiel: Statt bevorzugt dunkelhäutige Menschen zu kontrollieren, wäre es außerdem möglicherweise Zeit, ihnen bevorzugt Karrierewege im Polizeidienst zu eröffnen.

Und ein drittes: Annegret Kramp-Karrenbauer arbeitet gerade Homosexuellendiskriminierung bei der Bundeswehr auf. Wie war das bei der Polizei? Oder gab es die nie?

Es mangelt an Öffentlichkeit. Und an Ehrlichkeit

Es ginge so einiges. Was gehen muss: Ehrlichkeit und Öffentlichkeit. Gerade daran fehlt es immer wieder. Das Magazin „Focus“ meldet, Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang habe einen Leibwächter beschäftigt, der dem unter Rechtsextremismusverdacht stehenden Verein „Uniter“ angehört. Ein Sprecher des Innenministeriums meinte am Freitag, der Sachverhalt würde in wesentlichen Teilen falsch dargestellt.

Was richtig sei? Darf er nicht sagen, aus „wichtigen“, ja „schwerwiegenden“ Gründen. Noch wichtiger, noch schwergewichtiger: Eine „Panne“ sei das natürlich nicht.

Nichts dürfen Bürger wissen, außer dass die Presse alles falsch macht und man selbst alles richtig. So redet die Regierung mit dem Volk. Ein Staat, der in Bundeswehr und Sicherheitsbehörden weniger attraktiv für Rechtsextreme sein will, sollte weniger geschlossen auftreten und weniger autoritär. Das wäre ein Anfang.

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