Vermögenssteuer im Vergleich: Kommen die Reichen zu gut weg?
Die SPD-Pläne für eine Vermögensteuer haben die Debatte neu entfacht. Welchen Beitrag Wohlhabende in Deutschland leisten müssen – und was sie anderswo zahlen.
Hans Michelbach ist ein Kämpfer für die Interessen der deutschen Unternehmer, nicht zuletzt des Mittelstandes, also der größeren Handwerkerfirmen und des kleinen und mittleren produzierenden Gewerbes. Sie alle, quer über Deutschland verteilt, sind ein Grund dafür, dass die Bundesrepublik recht gut dasteht bei Wohlstand und Einkommen. Und Michelbach kämpft dafür, dass es so bleibt – gern auch lautstark.
Als jetzt die Pläne der SPD für eine Wiederbelebung der Vermögensteuer bekannt wurden, schlug der streitbare Vize-Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag mit einer drastischen Pressemitteilung zu. Reiche würden „zum innerstaatlichen Feindbild aufgeblasen“, die Koalitionspartnerin knüpfe an „SED-Ideologie“ an und vergifte das gesellschaftliche Klima. Es sei ein „unsäglicher Vorstoß“. Er rechnete vor: „Wenn die SPD zehn Milliarden Euro abkassieren will, muss sie mindestens 50 Prozent der Steuerzahler belasten.“
Da ging es offenbar durch mit Michelbach – tatsächlich dürfte die von den Sozialdemokraten angepeilte Summe einen weitaus kleineren Kreis betreffen. Der Freibetrag soll wohl bei ein bis zwei Millionen Euro pro Haushalt liegen, der Steuersatz bei einem Prozent, für Superreiche womöglich 1,5 Prozent, wie der kommissarische SPD-Parteichef Thorsten Schäfer-Gümbel durchblicken ließ. Bei einem Gesamtvermögen von geschätzt etwa 14 Billionen Euro lässt sich die Summe von zehn Milliarden im Jahr somit problemlos erreichen, wenn man das oberste Prozent rannimmt – vermutlich reicht schon die Besteuerung von weniger als einem Promille der Steuerzahler.
Warum gibt es aktuell keine Vermögensteuer?
Weil sie in der Form, wie sie bis 1995 bestand, vom Bundesverfassungsgericht als grundgesetzwidrig eingestuft wurde. Die Richter entschieden allerdings nicht, dass das Besteuern von Vermögen grundsätzlich gegen die Verfassung verstoße. Wäre es so, könnten weder Erbschaft- noch Grund- noch Grunderwerbsteuer erhoben werden, weil diese ja auch an einem Vermögen ansetzen. Das Gericht bemängelte nur, dass Geld- und Grundvermögen unterschiedlich belastet würden.
Zu einer Reform des Gesetzes kam es allerdings seither nicht, weshalb die Steuer quasi ausgesetzt ist. Dabei spielte eine Rolle, dass nach 1990 die klassische Nettovermögensteuer (also auf das Gesamtvermögen eines Steuerzahlers unter Abzug der Schulden) in vielen Ländern ein Auslaufmodell war – die politische Stimmung jener Jahre vor den beiden Finanzkrisen seit 2000 war eher, Vermögende zu entlasten. Mittlerweile hat sich der Wind ein bisschen gedreht: Die Reichen gelten global als Gewinner der Krisenjahre.
Wie ist die Vermögensverteilung in Deutschland?
Nach Zahlen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) liegen etwa zwei Drittel des Gesamtvermögens beim wohlhabendsten Zehntel der deutschen Haushalte. Das sind Unternehmer, Manager, Ärzte, viele Freiberufler, gut bezahlte Angestellte, hohe Beamte. Dagegen hat die untere Hälfte der Gesellschaft wenig bis nichts – zusammen sind es vielleicht zweieinhalb Prozent. Man muss aber auch ganz oben genauer hinschauen. Denn richtig reich sind im obersten Zehntel keineswegs alle. Die Hälfte des Gesamtvermögens ballt sich nämlich bei den oberen fünf Prozent, und schaut man sich das oberste Promille an, dann wird allein dort etwa ein Sechstel des Gesamtvermögens gehalten.
Übrigens mit steigender Tendenz: In der Finanzkrise seit 2010 sind die Vermögen der wirklich Reichen im Schnitt stärker gewachsen als die der Mittelschichten, deren Anteil am Vermögen zum Teil sogar abnahm. Allerdings muss man immer hinzufügen: Ganz oben muss geschätzt werden, da helfen die üblichen öffentlichen Statistiken nicht mehr. Die Welt der Superreichen ist nicht transparent.
Wo stehen wir im internationalen Vergleich?
Deutschland ist eines der reichsten Länder der Erde, nimmt man die Schätzung von etwa 14 Billionen Gesamtvermögen. Davor liegen nur die USA, China und Japan. Glaubt man der Aufstellung der Schweizer Bank Credit Suisse (ein globaler Vermögensverwalter), fallen wir beim Pro- Kopf-Vergleich etwas zurück: Ein Durchschnittsvermögen pro Person von 204.000 US-Dollar (knapp 184.000 Euro) reicht für Platz 20, es ist knapp die Hälfte des US-Durchschnittsvermögens. Franzosen, Briten, Dänen, Belgier oder Kanadier liegen hier vor den Deutschen. Schaut man sich den Median-Wert an, rutscht Deutschland allerdings deutlicher ab: Die Höhe des Vermögens, das die obere und die untere Hälfte trennt, liegt demnach bei 47.000 Dollar – deutlich weniger als in den meisten OECD-Staaten, weniger sogar als in Griechenland.
Dass die USA auch nur ein Median-Vermögen pro Person von knapp 56.000 Dollar aufweisen, zeigt eines: Dort wie hier herrscht eine relativ große Vermögensungleichheit. Ein Indikator namens Gini-Index misst dies: Der Wert für die USA liegt bei etwa 86, der für Deutschland bei 79. Je höher, je ungleicher sind die Verhältnisse. Andere Werte: Russland 92, Indien 87, China 82, Niederlande 74, Großbritannien 73, Schweiz und Frankreich 72, Italien 69.
Warum ist die Ungleichheit bei Vermögen in Deutschland relativ hoch?
Zwei Gründe liegen auf der Hand. Zum einen gab es zu DDR-Zeiten keine Möglichkeit, größere Vermögen anzuhäufen, was fortwirkt – denn reich wird man nicht zuletzt durch Erbschaften, und die sind in den Ost-Ländern nach wie vor geringer als im Westen. Zum anderen aber wohnen weniger Deutsche als in vergleichbaren Ländern nicht im Eigenheim, sondern zur Miete. Und die eigene Immobilie, in Großbritannien Frankreich, Italien oder den Niederlanden weit gefragter als bei uns, erhöht natürlich die Vermögensbasis vor allem in der Mitte der Gesellschaft und reduziert so die Ungleichheit.
Zudem mögen die Deutschen Aktien weniger als andere Völker, was die hiesigen Vermögen zwar weniger risikoreich gestaltet, aber auch potenziell weniger einträglich. In Ländern wie den USA oder Großbritannien, wo die private Altersvorsorge über Aktiensparpläne eine große Rolle spielt, kommen so auch höhere Vermögen in der Mitte zustande. Würde man freilich die Ansprüche aus dem Umlagesystem der gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland in den Vergleichsstatistiken ebenfalls als Vermögen werten, sähe die Sache schon anders aus – die Deutschen wären dann insgesamt etwas reicher.
Wie hoch wird Vermögen in Deutschland besteuert?
Wo es Vermögen gibt, versucht der Fiskus darauf zuzugreifen. Denn Immobilien sind unbeweglich, große Aktienpakete und Rentenpapierdepots sind nicht immer leicht zu veräußern oder zu verschieben, große Geldsummen nicht leicht zu verstecken. Also gibt es einen ganzen Strauß von Steuern auf Vermögen: die Nettovermögensteuer auf alles oder auf Teile von Eigentum, die Grundsteuer, die Steuer auf Wertpapierkäufe, die Grunderwerbsteuer, nicht zuletzt die Erbschafts- und Schenkungssteuern. Letztere gilt in Deutschland als „Dummensteuer“ für entfernte Verwandte, die nicht von hohen Freibeträgen und Verschonungsregeln profitieren können.
Auch über die Grundsteuer greift der deutsche Staat weniger zu als anderswo. Insgesamt ist die Bundesrepublik bei Steuern auf Vermögen „ein Niedrigsteuerland“, wie der DIW-Ökonom Stefan Bach sagt. Deren Volumen macht weniger als ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus, noch geringer ist die Belastung nur in Österreich und Tschechien.
Wie sieht es in anderen Ländern aus?
Internationale Vergleiche bei Steuersystemen sind immer mit Vorsicht zu genießen – überall sind sie historisch gewachsen und haben ihre Eigenheiten. Besonders hoch ist die Quote aus der Vermögensbesteuerung aber in fünf Ländern: Großbritannien, USA, Kanada, Japan, Frankreich. Zwischen drei und dreieinhalb Prozent des BIP kommen so dort zusammen oder bis zu zehn Prozent der Gesamtsteuersumme (in Deutschland weniger als zwei Prozent). Das hängt damit zusammen, dass in diesen Ländern Immobilieneigentum relativ stark belastet wird. In Belgien ist die Belastung auf Erbschaften im internationalen Vergleich recht hoch.
Die Schweiz und Luxemburg sind dagegen die einzigen Länder, in denen die klassische Nettovermögensteuer (welche nun die SPD anstrebt) noch in größerem Umfang erhoben wird. Bei den Eidgenossen kommt damit immerhin eine Summe in Höhe von 1,2 Prozent des BIP zusammen. Sehr viele Schweizer zahlen Vermögensteuer an ihre Kantone, denn die Freibeträge sind eher gering. Allerdings besteuert die Schweiz die Einkommen geringer, in Deutschland wird Arbeit dagegen recht hoch besteuert, vor allem in der oberen Mitte.
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