Nach den Taten der Silvesternacht: Köln: Der Ruf von Hannelore Kraft verblasst
Im Blick auf die Ereignisse von Köln hielt die Ministerpräsidentin von NRW sich lange zurück. Dabei galt sich bisher als eine Politikerin, die sich kümmert.
Sie war im Jahr 2010 erst kurze Zeit Ministerpräsidentin, als das Unglück auf der Loveparade in Duisburg passierte. Auch Hannelore Kraft musste lange warten, bis sie wusste, dass ihrem Sohn nichts zugestoßen war. Ihre Rede, in der Kirche gehalten als Ministerpräsidentin und als Mutter, zeugte von ihrem Bangen und Mitgefühl. Und begründete ihren Ruf als die, die sich kümmert.
Zu den „widerwärtigen Taten“ (Bundeskanzlerin Angela Merkel) in Köln, der hundertfachen Gewalt gegen Frauen, lässt sich Kraft auch vernehmen. Aber nicht so, dass es stark in Erinnerung bliebe; und nicht in einer Weise, dass sich behaupten ließe, sie kümmere sich. Der Ruf der 54-Jährigen als resolute Landesmutter verblasst.
Das tut er allerdings schon seit einiger Zeit. Von Amts wegen ist die Regierungschefin bedeutend. Ihr Bundesland ist die bevölkerungsreichste Region Europas, hat 18 Millionen Einwohner, sechsmal so viele wie Schleswig-Holstein, zehnmal so viel wie Hamburg, 18- mal so viele wie das Saarland. In NRW leben 40 Prozent mehr Menschen als in Bayern. Es ist das industriestärkste Bundesland mit den meisten Konzernen. Doch wirtschaftlich geht es ihm nicht gut. Nicht gut genug, als dass Rot-Grün sich seiner Wiederwahl im Frühling 2017 sicher sein könnte. Von SPD-Bundesvize Kraft als Kanzlerkandidatin (wie noch 2013) spricht spricht da keiner mehr.
Zumal sie überhaupt – von Berlin aus gesehen – zurückhaltender wirkt als vorher. Die Zuständigkeit auf Länderseite für die Finanzbeziehungen zum Bund hat beispielsweise der Hamburger Olaf Scholz übernommen, auch er SPD-Vize. So selbstbewusst wie der waren in Finanzfragen früher die Vertreter Nordrhein-Westfalens. Auf ihre Weise macht Kraft wahr, was sie von Anfang an gesagt hatte: dass sie keine bundespolitischen Ambitionen hat.
Hannelore Kraft hat sich entsetzt gezeigt über die Eskalation der Gewalt. „Gegen diese neue Dimension sexueller Übergriffe durch Männer-Banden werden Polizei und Justiz konsequent vorgehen“, sagte sie dem „Kölner Stadt- Anzeiger“. Die Äußerung stammt vom 5. Januar. Stadt und Land haben immer wieder massive Sicherheitsprobleme – dazu wird sie allerdings noch einiges mehr sagen müssen. Ganz gewiss im Parlament. Als Ministerpräsidentin muss sie sich mit aller Kraft kümmern. Nicht nur die Opposition erwartet das. Dass Kölns Polizeipräsident geht, war nur ein erster Schritt.