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Vorerst guter Dinge: Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) am Dienstag in der Etatdebatte.
© Kay Nietfeld/dpa

Haushaltsdebatte im Bundestag: Koalition der schwarzen Null – aber wie lange noch?

Mehr Schulden oder Generalrevision des Haushalts? Finanzminister Scholz hält neue Kredite im Krisenfall für möglich, die Union denkt eher ans Ausmisten im Etat.

Die schwarz-rote Koalition will das Bündnis der schwarzen Null bleiben. Doch wie lange sie es noch bleiben kann, das ist zum Auftakt der Debatte über den Etatentwurf für 2020 am Dienstag im Bundestag offen geblieben. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) legt immerhin einen Haushaltsplan vor, in dem es zwei weiße Flecken gibt. Zum einen sind die Maßnahmen, die der Klimagipfel von CDU, SPD und CSU am 20. September beschließen will, noch unklar – nicht zuletzt in ihren Auswirkungen auf den Bundeshaushalt.

Scholz musste daher die Lücke eingestehen, die in der Etatvorlage noch klafft: Der Umfang und die künftige Zielrichtung des Energie- und Klimafonds – ein entscheidendes Vehikel für die von der Koalition ins Auge gefassten Fördermaßnahmen und Investitionen – fehlt noch in der Planung. Die zweite große Ungewissheit: Die Steuerschätzung Ende Oktober könnte sowohl für das laufende Jahr als auch für 2020 die bisherigen Annahmen schreddern und dem Finanzminister einiges an haushaltstechnischer Kunst abverlangen, um die schwarze Null zu halten – also den Etat tatsächlich ohne neue Schulden auszugleichen, ihn durch den Bundestag zu bringen, ohne den Kreditspielraum der Schuldenbremse in Anspruch zu nehmen.

Vizekanzler als Großinvestor

Scholz wies den Vorwurf aus den Oppositionsparteien zurück, die Bundesregierung habe in den vergangenen Jahren zu wenig investiert, sie investiere jetzt und in Zukunft zu wenig. Der Vizekanzler präsentierte sich im Gegenteil als der Großinvestor der Nation, indem er auf das bisher höchste Investitionsvolumen in einem Bundesetat verwies – es soll 2020 bei knapp 40 Milliarden Euro liegen. Allerdings stagniert diese Summe in der weiteren Planung bis 2023, der Investitionsanteil am Etat sinkt damit. Aus Sicht des Finanzministers eine vorsichtige Herangehensweise – erhöhen kann man ja immer, wenn mehr Geld da ist.

Jedenfalls lobt er seine Vorlage als einen „expansiven Haushalt“, der sowohl die in den Überschussjahren angesammelte Rücklage als auch die dank Nullzinsphase geringeren Zinsausgaben für das Forcieren der Investitionen genutzt habe. „Und trotzdem machen wir keine neuen Schulden“, sagt Scholz, „das ist die besondere Leistung.“ Da regt sich sogar Applaus beim Koalitionspartner, ansonsten wird dem Finanzminister aus den Reihen der Unions-Fraktion während seiner 45-minütigen Rede eher wenig Beifall zuteil.

„Solide Finanzgrundlage“

Mit der soliden Haushaltspolitik der vergangenen Jahre, schwarze Null inklusive, habe die Koalition die Grundlage dafür gelegt, „dass wir in schwierigeren Zeiten handeln können“, sagt der Finanzminister. Wie schwierig die nächsten Quartale werden, wird sich in der Steuerschätzung zeigen. Sollte die deutsche Wirtschaftsleistung im dritten Quartal 2019 ähnlich schwach sein wie im zweiten (mit einem Minus von 0,1 Prozent), dann steht wohl eine leichte Rezession bevor, was sich negativ auf die Steuereinnahmen auswirkt und damit auf die Haushaltsplanung.

Scholz sieht sich dafür jedoch gewappnet: Die „solide Finanzgrundlage“ bedeute, dass die Regierung „mit vielen Milliarden Euro gegenhalten kann gegen die Krise – aber dann muss die Krise erst einmal da sein“. Das sei „gelebter Keynesianismus“, erklärt Scholz. Was bedeutet, dass er neben dem Griff in die Rücklage auch eine höhere Neuverschuldung für diesen Fall für möglich hält, denn kreditfinanziertes Gegenhalten ist ein Teil der Lehre des britischen Ökonomen. Die Schuldenbremse gibt dafür einen Spielraum von mindestens zehn Milliarden Euro im kommenden Jahr, ohne dass die Notfallregel in Anspruch genommen werden müsste – die allerdings nicht für normale Rezessionen gelten würde, sondern erst bei echten Finanzkrisen wie nach 2008.

„Nicht automatisch neue Schulden“

In der Union will man ebenfalls gegenhalten – wenn auch zunächst in etwas anderer Weise. Seit Wochen schon predigt Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus die „Generalüberprüfung des Bundeshaushalts“. Der oberste CDU-Haushälter Eckhardt Rehberg rechnet immer wieder vor, wie viel Geld derzeit im Bundesetat quasi herumliegt, weil Fördermaßnahmen nicht so angenommen werden wie gedacht, weil die Rücklage immer größer wurde dank der Überschüsse in den Vorjahren. Auf weit mehr als 20 Milliarden Euro ist Rehberg bei seiner Suche gekommen, die „abrufbereit“ in den Nebenhaushalten lägen oder als Ausgabenreste im Etat mitgeschleift würden. Und die umgelenkt werden könnten, um die höhere Schuldenaufnahme zu vermeiden.

Unions-Fraktionsvize Andreas Jung betonte denn auch, die schwarze Null sei eine „Errungenschaft“ und mehr als nur eine „haushalterische Nummer“. Mittels der Generalrevision des Etats könne man neue Prioritäten setzen. Wenn die Zeiten schwieriger würden, so Jung, müsse die Regierung dann nicht „automatisch neue Schulden machen“. Will heißen: Der Automatismus der Schuldenbremse soll erst wirken, wenn es gar nicht anders geht.

Ungewissheit vor der Steuerschätzung

Was zweierlei bedeutet für die nächsten Wochen der Etatberatungen.  Zum einen, dass die schwarz-roten Koalitionäre sich bereits jetzt den Kopf zerbrechen für den Fall, dass nach weiterer Konjunkturabkühlung und einer abgemagerten Steuerschätzung der Etatausgleich noch schwieriger wird als jetzt schon und die schwarze Null zu kippen droht. Zum anderen aber auch, dass sich Union und SPD dabei noch einen heftigen Streit liefern werden – um die Generalrevision, um die Höhe der Neuverschuldung, und um Vorhaben, die im Schwange, aber noch nicht finanziert sind.

Neben dem Klimapaket, das freilich erst ab 2021 wirklich haushaltsrelevant wird, ist da die von der SPD geforderte Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung und die von der Union geforderte Entlastung der Wirtschaft durch niedrigere Unternehmenssteuern, die Jung in seiner Rede ausdrücklich ansprach.

Albert Funk

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