Streit um EU-Gelder: Klimaneutralität? Polen will mehr Geld
Für einen Ausstieg aus der Kohleenergie braucht es mehr finanzielle Unterstützung. Diese Forderung vertritt die polnische Regierung auf dem EU-Gipfel.
Um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, seien „deutlich höhere“ Mittel erforderlich als diejenigen, die derzeit im Entwurf für den künftigen EU-Finanzrahmen zwischen 2021 und 2027 angeboten werden. Dies erklärte die polnische Regierung in einem Memo, das zum EU-Gipfel in Brüssel verbreitet wurde. Die polnischen Forderungen werden in einem „Non-Paper“ festgehalten, das an die Staats- und Regierungschefs der EU verteilt wurde.
Polen war eines von vier EU-Ländern, das beim letzten EU-Gipfel im Juni ein Abkommen über Netto-Null-Emissionen blockiert hatte. Warschau hat seine zukünftige Unterstützung für das Klimaziel 2050 nun eindeutig mit den Budgetverhandlungen verknüpft. Ambitioniertere Ziele der EU würden auch „neue Instrumente, einschließlich Finanzinstrumente“ erfordern, um eine Wende „hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft wirksam zu unterstützen“, heißt es in dem Memo, das EurActiv vorliegt.
Warschau fordert Hilfen für ärmste EU-Länder
Nach Angaben der EU-Kommission wären jährliche Investitionen in Höhe von 180 bis 290 Milliarden Euro erforderlich, um das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. „Der bestehende Rahmen und die bestehenden Instrumente werden nicht ausreichen, um Klimaneutralität zu erreichen,“ wird im polnischen Papier hervorgehoben. Striktere Klimaziele sollten daher „Hand in Hand gehen“ mit verstärkter Finanzierung – insbesondere für die ärmsten EU-Länder.
„Wir erwarten, dass die Kommission konkrete Zahlen je nach Mitgliedstaat vorlegt“, heißt es in dem Memo. Einmal mehr wird betont, dass die Kosten der Energiewende für Länder, die wie Polen stark von Kohle abhängig sind, höher ausfallen werden. Um sicherzustellen, dass die EU-Gelder vorrangig dort eingesetzt werden, wo sie am dringendsten benötigt werden, fordert Polen neue „Konditionalitätsregelungen“ zur Unterstützung von Regionen und Ländern mit dem größten Bedarf.
Die Umweltaktivisten beim Climate Action Network (CAN) unterstützen ebenfalls die Forderung nach zusätzlichen Mitteln zur Finanzierung der Energiewende. Auch nach ihrer Ansicht sei „gezielte Finanzierung“ für Klimaschutzmaßnahmen erforderlich, „insbesondere in den am stärksten von fossilen Brennstoffen abhängigen Regionen Europas“.
„Gerechter“ Fonds und Gasprojekte
Ein Instrument ist bereits geplant: Der sogenannte „Fonds für eine gerechte Energiewende“ („Just Transition Fund“) ist ein Geldtopf im Wert von 4,8 Milliarden Euro, den das EU-Parlament in den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen der EU aufnehmen will. Kritiker warnen jedoch, dass der Fonds lediglich eine Umfirmierung ohnehin bereits bestehender Mittel für EU-Regionen darstelle. Somit sei er faktisch keine der dringend benötigten zusätzlichen Finanzierungsquellen.
[Erschienen bei EurActiv. Das europapolitische Onlinemagazin EurActiv und der Tagesspiegel kooperieren miteinander. Übersetzung: Tim Steins. Bearbeitet von Zoran Radosavljevic und Tim Steins.]
Polen fordert derweil auch, dass Energiefinanzierungen der Europäischen Investitionsbank (EIB) „gasbezogene Projekte“ in Zukunft weiterhin ermöglichen sollten. Somit könnten neue Übertragungsleitungen und Gaskraftwerke gefördert werden, die stark umweltbelastende Kohlekraftwerke ersetzen sollen. Gasprojekte werden von Umweltaktivisten wiederum entschieden abgelehnt. Ihrer Ansicht nach könnten für derartige Projekte Mittel abgezweigt werden, die eigentlich dringend benötigt werden, um erneuerbare Energien und mehr Energieeffizienz zu ermöglichen.
Die Sozialdemokraten im EU-Parlament unterstützen die Forderung Polens nach mehr Unterstützung und erklärten ebenfalls, dass „frisches Geld“ zur Finanzierung des von der designierten Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen versprochenen „European Green Deal“ benötigt werde. Die gesamte Fraktion der Sozialdemokraten fordere Garantien für die Finanzierung des Green Deal, betonte das französische Fraktionsmitglied Pierre Larrouturou. Polen liege in dieser Hinsicht in der Debatte um die kommende EU-Haushaltsperiode absolut richtig.
Larrouturou gilt als einer der Vordenker für den Vorschlag, die Europäische Investitionsbank in eine „Klimabank“ umzuwandeln. Seiner Ansicht nach werden ab sofort jedes Jahr über eine Billion Euro an privaten und öffentlichen Finanzierungen benötigt, um den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft bis 2050 zu finanzieren.
Frédéric Simon