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Petro Poroschenko, ukrainischer Präsidentschaftskandidat,vor dem Reichstagsgebäude in Berlin.
© AFP

Deutschland und die Ukraine-Krise: Klare Botschaft Richtung Moskau

Kanzlerin Merkel empfängt den ukrainischen Präsidentschaftskandidaten Poroschenko, der auf deutsche Unterstützung für sein Land hofft. Aus Merkels Partei kommt scharfe Kritik an Russlands Vorgehen in der Ukraine-Krise.

Die Worte aus Berlin waren selbst in Zeiten eines angespannten deutsch-russischen Verhältnisses ungewohnt deutlich. „Es muss alles getan werden, um den russischen Versuch, die Lage in der Ukraine zu destabilisieren, zu unterbinden“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Andreas Schockenhoff, am Mittwoch. An seiner Seite stand ein Mann, der Präsident der Ukraine werden will: Petro Poroschenko, bisher bekannt als Oligarch mit einem Schokoladenimperium. Schockenhoff sagte, es gebe Nachweise, dass Operationen im Osten und Süden der Ukraine „unmittelbar von russischen Politikern gesteuert werden“. Das müsse unterbunden werden.

Schockenhoff: Wahl am 25. Mai muss stattfinden

Außerdem warnte der CDU-Politiker davor, die territoriale Integrität der Ukraine in Frage zu stellen – auch wenn er Russland nicht direkt ansprach, war deutlich, dass auch diese Mahnung an den Kreml adressiert war. Eine Verschiebung der für den 25. Mai in der Ukraine geplanten Präsidentenwahlen sei „inakzeptabel“, sagte Schockenhoff weiter. Zudem sei es „illegal“, vorher andere Referenden abzuhalten. Die Separatisten in der Ostukraine hatten für diesen Sonntag ein Referendum über die Unabhängigkeit einer „Volksrepublik Donezk“ angekündigt, Russlands Präsident Wladimir Putin forderte allerdings am Mittwoch, die Abstimmung zu verschieben.

Poroschenko traf sich in Berlin mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Aber da es sich um einen inoffiziellen Besuch handelte und der Gast kein Staats- oder Regierungsamt hat, trat keiner der beiden mit dem ukrainischen Präsidentschaftskandidaten vor die Kameras. Schockenhoffs scharfe Kritik am russischen Vorgehen in der Ukraine- Krise blieb daher das einzige offizielle Statement zum Besuch Poroschenkos. Der frühere Russland-Koordinator der Bundesregierung ist für seine klaren Worte in Richtung Moskau bekannt, er war der Initiator einer 2012 vom Bundestag verabschiedeten Resolution, in der Putins Vorgehen gegen Demonstranten, Nichtregierungsorganisationen und Opposition im eigenen Land scharf kritisiert wurde. Ohne Rückendeckung aus dem Kanzleramt wäre dieser Schritt damals kaum vorstellbar gewesen. Und auch jetzt ist nicht davon auszugehen, dass es sich bei der Kritik an russischen Destabilisierungsversuchen in der Ukraine lediglich um die Einzelmeinung eines Putin-Kritikers handelt.

Merkel hatte auch Julia Timoschenko getroffen

Das Treffen von Unionsabgeordneten mit Poroschenko, der von Ex-Boxer Vitali Klitschko und dessen Partei Udar unterstützt wird, kam auf Bitten des ukrainischen Gastes zustande. In Berlin will man den Eindruck vermeiden, dass die Bundesregierung auf die Präsidentschaftskandidatin und frühere Regierungschefin Julia Timoschenko setze, die während ihrer Inhaftierung im Zentrum der Aufmerksamkeit der europäischen Politik gestanden hatte. Merkel hatte Timoschenko beim Dubliner Gipfel der Europäischen Volkspartei im März getroffen, was deren politisches Lager als Signal der Unterstützung Deutschlands für die ambitionierte Politikerin verstanden wissen wollte. Vor diesem Hintergrund hätte die Kanzlerin ein Treffen mit Poroschenko kaum ablehnen können. Dieser betonte, er sehe das Treffen mit der Kanzlerin nicht als Unterstützung für sich persönlich, sondern für sein Land.

"Wir sind bereit, ein Referendum abzuhalten"

Der Kandidat, der in den Umfragen mit großem Abstand vor Timoschenko liegt, kam mit einer klaren Botschaft nach Berlin: Er forderte die EU und die USA auf, Wirtschaftssanktionen gegen Russland zu beschließen, falls das Land das geplante Unabhängigkeitsvotum der Separatisten unterstützen sollte. Mit Putins später geäußerter Forderung an die Separatisten, das Referendum zu verschieben, ist dies nun zumindest in den kommenden Tagen vom Tisch. Poroschenko betonte auch, dass er ein Referendum über den künftigen Status der Ostukraine durchaus für möglich hält: „Wir sind bereit, ein Referendum abzuhalten, aber nicht vor Maschinengewehren.“ Der Präsidentschaftskandidat sprach sich dafür aus, mehr als bisher auf die Menschen in der Ostukraine zuzugehen und die Region stärker zu unterstützen, dort Arbeitsplätze zu schaffen und zu investieren. Bei diesem Projekt hofft er auf deutsche Unterstützung.

Poroschenko verteidigt ukrainischen Militäreinsatz

Den Militäreinsatz in der Ostukraine verteidigte Poroschenko damit, dass die Kämpfer dort „Terroristen“ seien. Daher lehnt er die von Russland geforderte Beteiligung der Separatisten an einer neuen Verhandlungsrunde zur Lösung des Konflikts strikt ab. „Es ist kein Kompromiss, Verhandlungen mit Terroristen zu führen.“ Jeden Tag würden ein bis zwei ukrainische Soldaten von den Separatisten getötet.

In der Frage, wie sich die Ukraine in dem Konflikt verhalten soll, gibt es sichtbare Differenzen in der Berliner Koalition: Der deutsche Russlandbeauftragte Gernot Erler (SPD) forderte die Regierung in Kiew auf, das militärische Vorgehen gegen die Separatisten zu beenden. Diese Forderung wies der CDU-Abgeordnete Hans-Georg Wellmann umgehend zurück: Es gebe einen Angriff auf die Ukraine, die Gewalt sei von bewaffneten Separatisten ausgegangen, sagte Wellmann. „Es ist russische Propaganda, dass die Ukraine damit (mit dem Militäreinsatz) für eine Destabilisierung sorge. Dies verdreht Ursache und Wirkung.“

Claudia von Salzen

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