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Impfen ist zwar unangenehm, beugt aber vielen Krankheiten wirkungsvoll vor.
© picture allaince/dpa

Impfschutz: Kinderärzte monieren Gesetzentwurf

Nur die Impfberatung ist vor dem Kita-Eintritt Pflicht, geht es nach Gesundheitsminister Hermann Gröhe. Experten hatten dagegen auf eine Impfpflicht gehofft - vor allem um die Masern zu bekämpfen. Mögliche Sanktionen gegen Eltern sieht der Gesetzentwurf auch nicht vor.

Aus dem großen Anliegen der Kinderärzte wird wieder nichts. Die Politiker hätten einfach „zu viel Angst, eine Impfpflicht durchzusetzen“, klagt Wolfram Hartmann. So kann der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte im geplanten Präventionsgesetz nur einen „ersten Schritt in die richtige Richtung“ erkennen. Wenn der Entwurf am Mittwoch das Kabinett passiert, wird er wenigstens um einen Passus über Impfungen ergänzt sein. Und der sieht vor, dass Eltern, wenn sie ihr Kind erstmals einer Kita überlassen, künftig eine Impfberatung nachzuweisen haben.

Den Experten geht es vor allem um die Masern

„Bei der Erstaufnahme in eine Kindertageseinrichtung haben die Personensorgeberechtigten gegenüber dieser einen Nachweis darüber zu erbringen, dass vor der Aufnahme eine ärztliche Beratung in Bezug auf den Impfschutz des Kindes erfolgt ist“, heißt es in dem Entwurf von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU). Die Eltern müssen sich künftig also zumindest über empfohlene Impfungen und das jeweilige Erkrankungsrisiko für ihre Kinder informieren lassen – angefangen bei Masern, um die es den Experten zuvorderst geht, über Mumps und Röteln bis hin zu Kinderlähmung, Keuchhusten, Windpocken, Diphterie, Tetanus, HIB, Hepatitis B und Pneumokokken.
Durch den Ausbau der Betreuungsplätze für unter Dreijährige habe sich der Handlungsbedarf diesbezüglich noch mal erhöht, betont der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko) beim Robert-Koch-Institut, Jan Leidel. Schließlich seien so weit mehr Kleinkinder als früher einer Ansteckungsgefahr ausgesetzt. Und Kinder unter neun Monaten seien besonders gefährdet, da sie nicht gegen Masern geimpft werden dürften.

Beim Schuleintritt ist es zu spät

Ein Risiko, das nicht ohne ist. Im vergangenen Jahr wurden deutschlandweit wieder 1771 Masernfälle registriert. Die Krankheit könne schwerste Komplikationen nach sich ziehen und im schlimmsten Fall auch tödlich verlaufen, warnt der Virologe Leidel. Flächendeckend überprüft werde der Impfstatus bisher aber erst bei der Untersuchung zum Schuleintritt. „Für Appelle ist es dann viel zu spät.“ Gegen Masern geimpft werde hierzulande oft erst zwischen dem dritten und fünften Lebensjahr – nicht schon im zweiten, wie von der Stiko empfohlen. Und acht Prozent der Eingeschulten besitzen den Erhebungen zufolge gar keinen Schutz. „So schaffen wir es nicht, diese gefährliche Krankheit in Deutschland zu eliminieren“, sagt der Sozialmediziner.
Auch Gesundheitspolitiker ärgern sich über die Impflücken. Es mache ihn „wahnsinnig, wenn eigentlich gebildete Eltern die Parolen von Impfgegnern nachbeten“, sagt der CDU-Experte Jens Spahn. „Wir brauchen eine höhere Impfquote bei Kindern. Es kann nicht sein, dass es immer wieder zu Masern-Ausbrüchen an Schulen oder Kindergärten kommt.“ Eine verbindliche Abfrage des Impfstatus und eine konkrete Impfberatung, bevor ein Kind eine öffentliche Einrichtung besuche, sei dringend nötig. Und dabei müssten „alle vor Ort kooperieren“: Kassen, Kommunen, Ärzte und Kindergärten.

Keine Sanktionen vorgesehen

Gleichwohl bleibt die Vorgabe ein Appell. Über Sanktionen für Eltern, die sich der Impfberatung verweigern, schweigt sich der Gesetzentwurf aus. Unklar ist auch, ob diese durch Haus- und Kinderärzte erfolgen soll oder durch Mediziner des Öffentlichen Gesundheitsdienstes. Wenn man sich für Letztere entscheide, sei wegen des Personalmangels mit „gigantischen Warteschleifen“ zu rechnen, warnt der Kinderärzte-Funktionär Hartmann. Und weitere Details – etwa, bis wann der Nachweis vorliegen muss – haben die Länder zu regeln, da sie für den Infektionsschutz zuständig sind.

Eine Impfpflicht jedoch, wie von den Kinderärzten gefordert, geht dem Gesundheitsminister zu weit. Dies wäre ein „zu großer Eingriff in die Persönlichkeitsrechte“, sagt Gröhes Sprecherin. Auch in der Ständigen Impfkommission halten sie nichts von Zwang und Sanktionen. Ihm wäre es lieber, sagt der Vorsitzende, wenn sich die Eltern überzeugen ließen, dass Impfungen zum eigenen Schutz und dem von anderen unverzichtbar seien.

Appelle haben nicht gebracht

Hartmann geht das nicht weit genug. Er sorgt sich um die Kinder, die aufgrund ihres Alters oder wegen angeborener Immundefekte nicht geimpft werden können. Auch sie hätten einen Anspruch, vor Krankheiten geschützt zu sein, gegen die es wirksame Impfungen gibt, sagt er – und verweist auf eine entsprechende Festlegung der Weltgesundheitsorganisation aus dem Jahr 2002. Mit Appellen an die Eltern versuche man es schon seit Jahren, sie hätten nichts gebracht. Sein bitteres Resümee: „In Deutschland steht das Elternrecht höher als das Recht des Kindes auf Unversehrtheit.“

Rainer Woratschka

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