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Russlands Außenminister Sergei Lawrow (links) und sein amerikanischer Kollege John Kerry trafen sich am Mittwoch bei den Vereinten Nationen in New York.
© Darren Ornitz/Reuters
Update

Russlands Luftangriffe in Syrien: Kerry und Lawrow vereinbaren Militär-Konsultationen

Russland hat erstmals Stellungen in Syrien bombardiert. Nach Einschätzung der USA zielten die Jets aber nicht auf IS-Stellungen. Syrische Aktivisten sprechen von mindestens 27 Toten.

Mit Luftschlägen auf strategische Ziele in Syrien hat Russland erstmals militärisch in den blutigen Konflikt eingegriffen. Kampfjets hätten acht Stellungen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) bombardiert, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau am Mittwoch mit.

Während über die tatsächlichen Ziele des russischen Bombardements Uneinigkeit besteht, vereinbarten Russland und die USA zumindest Gespräche, um unbeabsichtigte militärische Auseinandersetzungen zu vermeiden. Das teilten Außenminister Sergei Lawrow und John Kerry am Mittwoch in New York mit. Die beiden Chef-Diplomaten hatten sich bei den Vereinten Nationen getroffen. "Sobald wie möglich" und eventuell schon am Donnerstag sollten Militärs beider Staaten zu Konsultationen zusammenkommen, damit sich die Truppen in Syrien aus dem Weg gehen können, sagte Kerry bei einem kurzen und eher vagen gemeinsamen Pressestatement.

Syrischen Aktivisten zufolge attackierten russische Kampfjets Orte nördlich von Homs, die von gemäßigten Rebellen gehalten werden. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte starben mindestens 27 Menschen. Aktivisten berichteten sogar von mehr als 35 Toten, darunter Frauen und Kinder. Diese Region werde von verschiedenen gemäßigten Rebellengruppen beherrscht, sagte Samir Naschar, führendes Mitglied des Oppositionsbündnisses Nationale Syrische Koalition. Dessen Vorsitzender Khaled Khudscha erklärte über Twitter, in dem Gebiet gebe es weder Kämpfer der Dschihadistenmiliz IS noch des Terrornetzwerkes Al-Kaida.

Auch US-Verteidigungsminister Ash Carter bezweifelt, dass Russland in Syrien vom IS kontrollierte Gebiete angegriffen hat. „Es scheint, dass sie in Gegenden waren, wo vermutlich keine IS-Kräfte waren“, sagte Carter im Pentagon. Er kritisierte das Verhalten Russlands mit klaren Worten und bezeichnete es als widersprüchlich. Russlands erklärter Kampf gegen den IS und die gleichzeitige Unterstützung des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad drohe die Lage eskalieren zu lassen. Russland „gießt Öl ins Feuer“, sagte Carter.

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) verlangte von Moskau schnellstmögliche Aufklärung über die Ziele der Angriffe. Ein hochrangiger Mitarbeiter der Nato nannte die russische Unterstützung für Syriens Machthaber Baschar al-Assad „nicht konstruktiv“, da er „Teil des Problems“ sei.

Assad soll um die Hilfe gebeten haben

Das Verteidigungsministerium in Moskau hat die ersten russischen Luftangriffe in Syrien bestätigt. Die "Präzisionsangriffe" der russischen Luftwaffe hätten sich gegen militärische Ausrüstung sowie Lager mit Waffen und Munition des IS gerichtet, erklärte Ministeriumssprecher Igor Konaschenkow am Mittwoch laut russischen Agenturberichten. Präsident Wladimir Putin sagte derweil, Moskau bekämpfe die Dschihadisten in Syrien "vorausschauend": "Der einzige richtige Weg im Kampf gegen den internationalen Terrorismus ist es, vorausschauend zu handeln", sagte er. "Kämpfer und Terroristen" müssten in den Gebieten bekämpft und "vernichtet" werden, die sie bereits erobert hätten, statt "darauf zu warten, dass sie zu uns kommen".

Erst am Morgen hatte Putin vom russischen Parlament die Erlaubnis für den Militäreinsatz bekommen, nachdem er den Föderationsrat darum gebeten hatte, "ein Kontingent der russischen Streitkräfte außerhalb des russischen Territoriums" einsetzen zu dürfen. Der syrische Präsident Baschar al-Assad habe Russland um Militärhilfe gebeten, teilte der Vertraute von Kremlchef Putin mit. Moskau werde ausschließlich die Luftstreitkräfte einsetzen, betonte er.

Russland hatte in den vergangenen Wochen seine militärische Präsenz in Syrien deutlich verstärkt. Nach Medienberichten hat Moskau 24 zusätzliche Kampfflugzeuge auf dem Stützpunkt im nordsyrischen Latakia entsandt. Inzwischen sollen dort 28 Kampfflugzeuge und rund 20 Kampf- und Transporthubschrauber sowie Drohnen stationiert sein, berichtet die „Financial Times“ in der vergangenen Woche. 500 russische Marineinfanteristen sollen sich ebenfalls dort befinden. Laut der russischen Zeitung „Kommersant“ sollen es sogar 1700 Spezialkräfte sein.

Putin will unbedingt einen Sturz des Asad-Regimes in Syrien vermeiden und plädiert für eine internationale Koalition gegen den IS unter Einbeziehung des syrischen Machthabers. Die USA und die europäischen Staaten lehnen dies bisher ab. Bei der Vollversammlung der Vereinten Nationen nutzte Putin am Wochenende seinen Auftritt für eine Abrechnung mit den USA. Der Versuch, Demokratie in den Nahen Osten zu exportieren, habe zum Zerfall von Staaten und damit zum Aufstieg des IS geführt, so Putins Argumentation. „Die sogenannte moderate Opposition in Syrien, vom Westen bewaffnet und ausgebildet, ist zum IS übergelaufen.“ (mit AFP, dpa)

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