Streit um Antidiskriminierungsstelle: Keine neue Chefin in Sicht
Anderthalb Jahre nach der Bundestagswahl ist die Leitung der Antidiskriminierungsstelle noch vakant. Die Grünen werfen der SPD Verzögerungen und Kungeleien vor.
Sie ist jung, kann gut reden und kommt aus dem Osten – und sie gehört zum Netzwerk von SPD-Chefin Andrea Nahles. In der SPD wurde Nancy Böhning bekannt, weil sie jahrelang das feministische „Barcamp Frauen“ organisierte. In der Partei, die bei Wählerinnen einen schweren Stand hat, wurden nach der Bundestagswahl 2017 Frauen wie sie gesucht.
Böhning stieg zur Bundesgeschäftsführerin der SPD auf – bis sie vier Monate später, im April 2018, Platz für den Nahles-Vertrauten Thorben Albrecht machen musste. Stattdessen winkte ihr eine attraktive Alternative: Böhning sollte Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes werden – ein Posten, der in dieser Wahlperiode vom SPD-geführten Familienministerium besetzt werden darf.
Doch anderthalb Jahre nach der Bundestagswahl ist die Leitung der Antidiskriminierungsstelle immer noch nicht besetzt. Dabei hat die Bundesbehörde viel zu tun: Knapp 3500 Menschen ließen sich allein im Jahr 2018 beraten, weil sie im Job oder im Alltag benachteiligt wurden, etwa aufgrund ihres Geschlechts oder der Herkunft. Das waren 15 Prozent mehr als noch im Vorjahr.
Grund für die Verzögerung ist ein Rechtsstreit. Eine andere Bewerberin, die im Familienministerium tätig ist, hatte gegen die von der Bundesregierung geplante Postenvergabe geklagt, weil sie sich unfair behandelt fühlte. In erster Instanz rügte auch das Verwaltungsgericht Berlin das Auswahlverfahren nun deutlich – und untersagte per einstweiliger Anordnung die Ernennung Böhnings zur Antidiskriminierungsbeauftragten.
In der Begründung des Beschlusses, der dem Tagesspiegel vorliegt, stellt das Verwaltungsgericht fest, dass die Auswahlentscheidung mit dem im Grundgesetz verankerten „Prinzip der Bestenauslese“ (Artikel 33, Absatz 2) nicht vereinbar sei. So führen die Richter unter anderem aus, dass Böhning keine vollständige Bewerbung für die Leitung der Antidiskriminierungsstelle eingereicht habe. Sie habe lediglich Zeugnisse und einen Lebenslauf per Mail geschickt, aber kein Anschreiben an die Personalverantwortlichen, also keine Bewerbung „im engeren Sinne“. Das Arbeitszeugnis für die Tätigkeit als SPD-Bundesgeschäftsführerin wurde direkt vom Willy-Brandt-Haus ans Ministerium geschickt.
Auswahl mit dem "Prinzip der Bestenauslese" nicht vereinbar
Die Auswahlentscheidung leide aber auch daran, dass beim Vergleich der Bewerberinnen „nicht hinreichend“ darauf geachtet worden sei, ob sie die in der Stellenausschreibung geforderten Kompetenzen mitbringen. So sei das Familienministerium bei der Begründung der Personalie nur auf das „politische Verständnis“ der SPD-Politikerin Böhning eingegangen.
Doch was sei mit der gewünschten Erfahrung auf europäischer Ebene? Und der vorausgesetzten mehrjährigen Berufserfahrung in der Kooperation mit staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren auf Bundesebene? Und was mit der „Aufgabenidentifikation“ mit dem Thema Antidiskriminierung?
„Unzulänglich“ sei auch der Vergleich der Qualifikationen aufgrund der vorgelegten Arbeitszeugnisse und der dienstlichen Beurteilungen der beiden Bewerberinnen. „Insgesamt entsteht der Eindruck, dass das Verfahren zur Besetzung der Leitung der Antidiskriminierungsstelle nicht in der gebotenen Weise ergebnisoffen geführt wurde“, lautet das Fazit des Verwaltungsgerichts. Es erscheine „auch möglich“, dass bei einer erneuten und fehlerhaften Auswahlentscheidung die Konkurrentin zum Zuge komme.
Grüne: „Verzögerungen und Kungeleien müssen aufhören"
Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Ulle Schauws fordert das Familienministerium deshalb auf, „ohne Verwaltungsstreitverfahren eine neue ordnungsgemäße Bewerberauswahl“ einzuleiten. In der Klage vor dem Verwaltungsgericht war es zunächst darum gegangen, per einstweiliger Verfügung die Ernennung Böhnings zu stoppen. Doch die Klage in der Hauptsache ist noch nicht entschieden, bis dahin kann noch Zeit vergehen.
Die Antidiskriminierungsstelle müsse „schellst- und auch bestmöglich“ besetzt werden, fordert die Grünen-Politikerin Schauws: „Verzögerungen und Kungeleien der SPD bei der Besetzung der Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes müssen aufhören.“ Ihre Fraktionskollegin Canan Bayram findet, es sei "ein Armutszeugnis" für die Bundesregierung, dass ausgerechnet die Besetzung der Leitung dieser Stelle diskriminierend gelaufen sei.
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