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Russlands Präsident Wladimir Putin
© REUTERS/Edgar Su

Blockade der Ukraine: Keine Nachsicht mit Russland

Wladimir Putin ist ein Aggressor und ein Wiederholungstäter. Die Bundesregierung muss den kriegerischen Akt vor der Krim als solchen benennen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

In gewissen Momenten wird die neutrale Sprache der Diplomatie zur Komplizin der Rechtsbrecher. Weil sie die Schuldigen eines kriegerischen Akts nicht benennt; weil sie Täter und Opfer gleichermaßen zur Mäßigung aufruft. An so einem Punkt stehen Deutschland und Europa in den Beziehungen zu Russland und zur Ukraine. Wladimir Putin ist ein Aggressor und ein Wiederholungstäter. Der diplomatische Umgang mit ihm hat keinen Nutzen gebracht. Offenbar hat er sogar kontraproduktiv gewirkt und ihn zum nächsten Vertragsbruch ermuntert.

Die Bundesregierung muss jetzt Tacheles reden: eine Aggression eine Aggression nennen. Und entsprechend handeln: ihre Sanktionen gegen Russland verschärfen, die Verbündeten auffordern, das ebenfalls zu tun, und der deutsch-russischen Pipeline Nord Stream 2 die Unterstützung entziehen. Schon jetzt spülen Energieexporte die Devisen in Putins Kassen, mit denen er seine Angriffskriege finanziert. Die Pipeline verstärkt diesen Effekt und zementiert den Vasallenstatus der Ukraine. Sie ist unvereinbar mit der gemeinsamen europäischen Energiepolitik. Die EU-Kommission hat das festgestellt. Nur in Deutschland ist man schwerhörig.

Der jüngste „Zwischenfall“ in der Straße von Kertsch ist ein kühl kalkulierter kriegerischer Akt. Russland hat in einem Seegebiet, in dem die freie Schifffahrt vertraglich garantiert ist, ukrainische Schiffe beschossen und gerammt. Es blockiert die Durchfahrt durch die Straße von Kertsch und damit den Weg zu den Häfen der Ostukraine. Dies geschieht unter dem Vorwand, die ukrainischen Schiffe seien unerlaubt in „russisches Hoheitsgebiet“ eingedrungen – eine Behauptung, die auf dem nächsten Rechtsbruch basiert. Russland hat gewaltsam Grenzen verschoben, als es die Krim besetzte und annektierte. Die Straße von Kertsch ist nicht russisch. Sie gehört zur Ukraine.

Regeln ungestraft brechen?

Als die Ukraine 1994 ihre Atomwaffen abgab, hatte Russland die Unverletzlichkeit ihrer Grenzen garantiert. Nach dem Vertrag hätte Moskau, als „Unbekannte“ 2014 auf der Krim einfielen, der Ukraine helfen müssen, die Aggressoren zu vertreiben und die Grenzen zu sichern. Der Hüter des Vertrags hat sich als Zerstörer erwiesen.

So auch im Abkommen von 2003 zur freien Schifffahrt in der Straße von Kertsch. Die Landbegrenzung im Westen (Krim) und im Osten (Insel Tusla) sind ukrainisches Staatsgebiet. Russland hat da nichts zu suchen, darf weder Brücken über die Meerenge bauen noch Schiffe an der Durchfahrt hindern.

Was sich dort gerade abspielt, ist kein Regionalkonflikt zwischen zwei Staaten, die aus deutscher Sicht beide Schwächen haben und mit Vorsicht zu genießen sind. Sondern es geht um die grundsätzliche Frage, in was für einer Weltordnung wir alle leben wollen: in einer Dschungelwelt, in der das Recht des Stärkeren gilt? Oder in einer regelbasierten Ordnung, in der internationales Recht und die Verträge gegen Regelbrecher durchgesetzt werden? Darauf kann es nur eine Antwort geben.

Russische Kriegsschiffe haben ukrainische Militärschiffe gerammt und beschossen.
Russische Kriegsschiffe haben ukrainische Militärschiffe gerammt und beschossen.
© imago/ITAR-TASS

Deutschlands Aufstieg zur viertgrößten Wirtschaftsmacht der Erde basiert auf den Regeln der liberalen Weltordnung. In einer Dschungelwelt können sich die militärisch starken Länder China, Russland, USA behaupten. Deutschland nicht, Europa auch nicht. Viele Mächtige testen, ob man die Regeln ungestraft brechen kann, um sich nationale Vorteile zu verschaffen. China dehnt einseitig seine Hoheitsgebiete im Süd- und Ostchinesischen Meer aus.

Russland schürt Territorialkonflikte und schickt dann „Friedenstruppen“, die nie wieder abziehen: Berg-Karabach, Transnistrien, Tschetschenien, Abchasien, Ossetien, Krim, Ostukraine. Auch Donald Trump schwächt die Ordnung und verteidigt sie nicht so wie seine Vorgänger. Also muss Europa mehr dafür tun.

Außenminister Heiko Maas hat am Dienstag bekräftigt: Deutschland ist in der transatlantischen Partnerschaft verwurzelt. Es kann nicht in Äquidistanz zwischen den USA, Russland und China leben. Es benötigt die Rechtsordnung. Und so muss er nun auch handeln.

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