Jamaika-Sondierung: "Keine Lustreise, sondern ein hartes Experiment"
Die Sondierung für ein Jamaika-Bündnis gehen in den Countdown. Bei einigen Themen hakt es noch mächtig. Der Grüne Habeck ist pessimistischer als vor einer Woche.
In der Schlussphase der Jamaika-Sondierungen in Berlin ist die Zuversicht des schleswig-holsteinischen Umweltministers und Grünen-Unterhändlers Robert Habeck gesunken. Vor einer Woche habe er die Erfolgschance noch bei 80 Prozent gesehen, sagte Habeck am Mittwoch. Jetzt sehe er bestenfalls noch eine Fifty-Fifty-Chance. Habeck nimmt für die Grünen an den Sondierungsgesprächen teil.
"Wir sind bei weitem nicht so weit, wie wir hätten sein können", sagte Habeck. Einige Dinge seien falsch gelaufen. "Es sind noch immer verkeilte Themen da. Alles ist lösbar in der Sache selbst." Es gehe aber nicht nur um die Sache selbst. Es gehe viel um Gesichtsverlust, um die jeweilige Parteiseele und Strategien für anstehende Wahlen wie in Bayern. "Es wird dann gelingen, wenn man das hintenan stellt und unterdrückt und wenn nicht, dann wird es genau daran scheitern."
Wenn es schiefgehe, sei das eine unkontrollierte Sprengung, sagte Habeck. "Jeder, der darauf pokert, dass seine Partei bei einer Neuwahl besser abschneidet, hat die Rechnung völlig ohne die Situation gemacht, das kann für alle Parteien ins Chaos führen, das kann vor allem für Deutschland ins Chaos führen."
Lange Nacht erwartet
Im Countdown bei den Sondierungen haben CDU, CSU, FDP und Grüne am Mittwoch in verschiedenen Themenfeldern weitere Schritte aufeinander zu gemacht, in zentralen Fragestellungen etwa der Europa- und Flüchtlingspolitik aber noch keine Einigung erzielen können. "Es wird immer klarer: Jamaika wird keine Lustreise, sondern ein hartes Experiment. Und einige Expeditionsteilnehmer haben den Kompass noch nicht richtig eingestellt", sagte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer.
Beim Streitthema Migration kamen sich die Unterhändler unter anderem bei der Fachkräftezuwanderung näher. Die Frage nach der insbesondere von der Union geforderten Belastungsgrenze oder zum Familiennachzug blieben jedoch offen. Auch die Verhandlungen zu Europa wurden ohne wirkliche Fortschritte vertagt.
Die Sondierungen waren am Morgen auf Ebene der Parteivorsitzenden - ergänzt durch Fachpolitiker der Parteien - zunächst mit den Themen Europa und Migration gestartet. Am Mittag wurden die Gespräche unterbrochen, da Kanzlerin Angela Merkel zum Weltklimagipfel nach Bonn reiste. Für den Abend waren Beratungen zu den Streitfeldern Finanzen und Energie angesetzt. Am Donnerstag sollen die Verhandlungen in die letzte Runde gehen, mit einer langen Nacht wird gerechnet. Im Fall einer Verständigung entscheiden die Parteigremien in den darauffolgenden Tagen über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen. (dpa, Reuters)
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