INF-Vertrag: Keine Annäherung in Rüstungsstreit zwischen Nato und Russland
Gibt es im Streit über einen der wichtigsten Abrüstungsverträge noch einen Ausweg? Nach einem Treffen des Nato-Russland-Rates sind die Aussichten düster.
Im Streit über den INF-Vertrag zum Verzicht auf atomare Mittelstreckenwaffen gibt es trotz eines ablaufenden US-Ultimatums keine Bewegung. Ein Treffen des Nato-Russland-Rats zum Thema endete am Freitag nach zweieinhalb Stunden ergebnislos. Der vor allem für Europa wichtige Vertrag steht damit vor dem Aus. Der deutsche Außenminister Heiko Maas hofft auf ein Einlenken Moskaus.
Russland habe keinerlei Bereitschaft gezeigt, seine Position zu revidieren, erklärte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg nach den Gesprächen von Vertretern der Bündnisstaaten mit dem russischen Vizeaußenminister Sergej Rjabkow in Brüssel. Die USA und die Nato-Partner seien jedoch weiter überzeugt, dass Russland den INF-Vertrag mit neuen Marschflugkörpern mit der Bezeichnung 9M729 (Nato-Code: SSC-8) verletze.
Moskau weist die Forderungen der USA zurück
Die USA hatten Russland wegen der mutmaßlichen Vertragsverletzung im Dezember eine Frist von 60 Tagen gesetzt. Demnach werden sie es nach dem 2. Februar aufkündigen, wenn Russland bis dahin nicht die Zerstörung seiner neuen Marschflugkörper zusagt. Die Raketen sollen nach Angaben aus den USA mindestens 2600 Kilometer weit fliegen können und wären damit in der Lage, nahezu alle Hauptstädte in Europa zu treffen.
Maas forderte Moskau während eines Besuchs bei den Vereinten Nationen in New York erneut dazu auf, die Reichweite seiner neuen Marschflugkörper mit der Bezeichnung 9M729 transparent zu machen. „Es wird weiter darum gehen, die Russen dazu zu drängen, Informationen offenzulegen, die sie bisher nicht offengelegt haben.“
Dass Russland in der Auseinandersetzung doch noch einlenkt, gilt als ausgeschlossen. Die Regierung in Moskau weist die Forderungen und Vorwürfe der USA zurück. So gibt sie die maximale Reichweite ihres Marschflugkörpers mit 480 Kilometern an, was vertragskonform wäre. Zudem unterstellt Moskau den USA, die Vorwürfe nur als Vorwand zu nutzen, um offiziell ein neues Rüstungsprogramm starten zu können.
Die Folgen eines Endes des Abkommens sind nicht absehbar
Moskau spielt damit darauf an, dass US-Militärs sich seit längerem darüber beklagen, dass der aus der Zeit des Kalten Krieges stammende INF-Vertrag nur Amerikaner und Russen, aber nicht aufstrebende Militärmächte wie China bindet.
Für Europa wäre ein Aufkündigung des Vertrages brisant, weil es in Folge aller Voraussicht nach eine Diskussion über atomare Aufrüstung in Europa geben würde. Nach Auffassung von Militärs ließen sich nämlich nur so langfristig ein strategisches Gleichgewicht und Abschreckung sichern.
Nato-Generalsekretär Stoltenberg wich am Freitag der Frage aus, ob die Aufkündigung des Vertrages durch die USA eine Stationierung von zusätzlichen amerikanischen Atomwaffen in Europa zur Folge haben könnte. Es sei noch viel früh, um vorherzusagen, wie die Nato auf ein mögliches Ende des Abkommens reagieren werde, sagte der Norweger. Er wies zudem darauf hin, dass es selbst nach einer offiziellen US-Ausstiegsankündigung noch bis August Zeit geben würde, den Vertrag zu retten. In dem Abkommen ist nämlich eine Kündigungsfrist von sechs Monaten vorgesehen.
Russland sieht für den Vertrag noch Chancen
Der russische Vizeaußenminister Rjabkow sieht noch Chancen für den INF-Vertrag. „Wir arbeiten weiter daran, dieses Dokument zu erhalten, nichts hat sich geändert“, sagte er russischen Medienberichten zufolge. „Trotz des schwierigen Gesprächs (...) erwarten wir, dass der gesunde Menschenverstand siegt.“ Russland wolle auch nach dem 2. Februar seine Arbeit fortsetzen, auch wenn die USA aus dem Vertrag aussteigen sollten.
Beim Treffen der fünf offiziellen Atommächte am 30./31. Januar in Peking werde er auch mit der für Rüstungsfragen zuständigen US-Staatssekretärin Andrea Thompson sprechen, kündigte Rjabkow der Agentur Interfax zufolge an. Er bezweifele aber, dass Thompson bereit sein werde, über den INF-Vertrag zu sprechen. (dpa)