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Alexej Nawalny ist in ein Straflager irgendwo in Russland gebracht worden.
© dpa

Amnesty geht auf Distanz zu Nawalny: Kein politischer Gefangener

Amnesty wirft dem Kreml-Kritiker Aufruf zum Hass vor. Seine russischen Anhänger fühlen sich von der Menschenrechtsorganisation verraten.

Der Kremlkritiker Alexej Nawalny ist am Donnerstag in ein Straflager irgendwo in Russland verlegt worden. Wo er seine mehrjährige Haftstrafe jetzt verbüßen muss, wurde zunächst nicht einmal seinen Anwälten mitgeteilt.

Fast zeitgleich hat ihm die Menschenrechtsorganisation Amnesty International den Status eines „gewaltlosen politischen Gefangenen“ entzogen. Hintergrund seien Beschwerden über diskriminierende Reden Nawalnys gewesen, die mehr als 15 Jahre zurückliegen. Die Äußerungen hätten „an der Grenze zur Verteidigung von Hass“ („hate speech“) gelegen, erklärte die Organisation.

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Die russischen Anhänger Nawalnys sind entsetzt. Das Vorgehen von Amnesty spiele der russischen Führung in die Hände, heißt es in Twitter-Kommentaren. Hinter der Entscheidung stünden „Leute aus dem Umfeld von RT in einigen Ländern“, wurde auf der Online-Plattform „Mediazona“ gemutmaßt. RT ist der auch auf Deutsch sendende Kanal für die Auslandspropaganda des Kremls.

Stellvertretend für viele Anhänger Nawalnys schrieb der international erfolgreiche Autor Boris Akunin einen offenen Brief an Amnesty, den er auch auf Facebook veröffentlichte. Er sei „bitter enttäuscht“, schrieb der Autor. „Statt die Person zu schützen, die zunächst getötet werden sollte und dann zu Unrecht eingesperrt wurde, habt ihr ihm einen neuen Schlag versetzt. Ihr habt die Tore seines Gefängnisses noch fester verschlossen, was es uns schwer macht, für seine Freilassung zu kämpfen.“ Amnesty habe den Geist seiner Mission verraten.

Nationalistische Töne

Doch auch vielen Putin-Kritikern in Russland war Nawalny lange suspekt, manchen ist er es noch heute. Sie können nicht mit Überzeugung sagen, ob der Rechtsanwalt nur ein charismatischer Populist ist, der von der Macht träumt, oder ob er tatsächlich politische Überzeugungen vertritt. Und wenn ja, ob es am Ende demokratische sind.

Das hat seinen Grund. Nawalny begann seine politische Karriere vor anderthalb Jahrzehnten mit einer nationalistischen Drehung. Er agitierte in seinen Internet-Auftritten gegen die nationalen Minderheiten Russlands im Kaukasus und gegen die Arbeitsmigranten aus südlichen Nachbarstaaten. Von „Kakerlaken“ war da die Rede, gegen die man sich auch mit Gewalt wehren könne. Auf Videos aus dieser Zeit bezog sich auch Amnesty bei seiner Entscheidung. Zeitweise hatte sich Nawalny sogar auf den „Russischen Marsch“ eingelassen, eine Organisation aus dem extrem rechten Spektrum. Doch rasch nahm Präsident Wladimir Putin das populäre Thema „Nationalismus“ selbst in die Hand – mit dem Höhepunkt der Krim-Annexion 2014.

Amnesty gibt "schlechtes Timing" zu

Ausgerechnet im Jahr der Parlamentswahl könnte ein Streit um Nawalny das oppositionelle Lager in Russland erneut entzweien. Gerade hat der Gründer der liberalen Jabloko-Partei und mehrfach erfolglose Präsidentschaftskandidat, Grigori Jawlinski, eine heftigen Kontroverse ausgelöst. In Anspielung auf die jüngsten Demonstrationen in vielen russischen Städten behauptete Jawlinski, Nawalny nutze „in verbrecherischer Weise“ Minderjährige für politische Ziele.

Am Freitag rechtfertigte Amnesty auf seiner Webseite seine Entscheidung noch einmal und wies den Vorwurf zurück, sie sei unter „russischem Einfluss“ getroffen worden. „Dennoch geben wir zu, dass das schlechte Timing dieser internen Entscheidung unbeabsichtigt von der Kampagne für die unverzügliche Freilassung Nawalnys abgelenkt hat“, heißt es in der Erklärung. Man bedauere den Schaden, der entstanden sein könnte und die Not, „die für Nawalny und seine vielen Freunde und Unterstützer verursacht wurde“. Nichts, was Nawalny in der Vergangenheit gesagt habe, rechtfertige seine gegenwärtige Haft, die ausschließlich politisch motiviert sei, heißt es in der Erklärung.

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