Bertelsmann-Studie zur Krankenversicherung: Kassenpflicht für Beamte brächte Ersparnis von 60 Milliarden Euro
Wenn die Beamten in die gesetzliche Krankenversicherung müssten, würde dies Bund und Länder um 60 Milliarden Euro entlasten. Und für alle Kassenmitglieder würden die Beiträge sinken.
Eine Versicherungspflicht für Beamte in gesetzlichen Krankenkassen würde die öffentlichen Haushalte bis 2030 um 60 Milliarden Euro entlasten. Zu diesem Befund kommt eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung, die dem Tagesspiegel vorliegt. Auch für gesetzlich Versicherte brächte eine solche Systemänderung Vorteile: Ihre Beiträge könnten der Expertenrechnung zufolge dadurch um 0,34 Prozentpunkte sinken.
85 Prozent der Beamten sind privat versichert
Bisher sind rund 85 Prozent der Beamten in Privatkassen krankenversichert. Aus gutem Grund: Über die Beihilfe trägt der Staat dort die Hälfte ihrer Krankheitskosten, bei Pensionären sogar 70 Prozent. Beamte die sich gesetzlich absichern, entgeht dieser Zuschuss. Für sie lohnt sich eine gesetzliche Absicherung nur in zwei Fällen. Bei gravierenden Erkrankungen, für die sie in der privaten Krankenversicherung (PKV) Risikozuschläge zu zahlen hätten. Und bei vielen Kindern, die in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) kostenfrei mitversichert sind.
In der privaten Krankenversicherung (PKV) stellen Beamte daher knapp die Hälfte der rund 8,8 Millionen Vollversicherten. Der Studie zufolge kostet sie die Privatabsicherung dank der Zuschüsse im Schnitt nur 6,4 Prozent ihres Einkommens. In der gesetzlichen Versicherung (GKV) haben sie nach der bisherigen Regelung im Durchschnitt 14,8 Prozent ihres Einkommens als Beitrag aufzubringen. Deshalb sind momentan nur 15 Prozent der Beamten gesetzlich versichert.
Pro Jahr mehr als 20 Milliarden Euro für Beihilfe
Den Steuerzahler kommt das Beamtenprivileg der Privatversicherung aber teuer zu stehen. Im Jahr 2014 gaben die Länder für Beihilfezahlungen bereits 7,4 Milliarden Euro aus, der Bund zahlte 4,5 Milliarden. Nach den Prognosen der Studie steigen diese Posten bis zum Jahr 2030 bei den Ländern um 83 und beim Bund um 46 Prozent. Die Beihilfeausgaben würden sich folglich auf mehr als 20 Milliarden Euro im Jahr summieren.
Bei der durchgespielten Systemänderung würden zwei Drittel der gut drei Millionen Beamten und Pensionäre versicherungspflichtig, heißt es in der vom Berliner Iges-Institut durchgeführten Studie. Sie fielen unter die bestehende Versicherungspflichtgrenze. Hinzu kämen weitere 21 Prozent, die aus finanziellen Gründen freiwillig zur GKV wechseln würden.
Damit wären neun von zehn Beamten gesetzlich versichert. Für sie wäre aus Steuern dann nur noch der übliche Arbeitgeberbeitrag aufzubringen. Schon im ersten Jahr würde dies den Bund um 1,6 Milliarden und die Länder um 1,7 Milliarden Euro entlasten. Und die Ersparnis stiege kontinuierlich mit der Zahl der Pensionäre.
13 Bundesländer würden entlastet - darunter auch Berlin
Auf lange Sicht würden dadurch 13 von 16 Bundesländern profitieren, so die Experten. Am höchsten wären die Einsparungen für Nordrhein-Westfalen (9,9 Milliarden), Bayern (7,7 Milliarden) und Baden-Württemberg (sechs Milliarden). Geringfügig teurer würde es wegen der niedrigeren Zahl von Pensionären lediglich für Sachsen, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern. Berlin käme auf ein Plus von 1,3 Milliarden. Und die Ersparnis des Bundes läge bei mehr als 27 Milliarden Euro. „Das wäre eine Entlastung für jeden Steuerzahler“, sagt Brigitte Mohn vom Vorstand der Bertelsmann-Stiftung.
Für die gesetzlichen Kassen und ihre Mitglieder würde sich die Umstellung ebenfalls rechnen. Zusatzausgaben für die Beamten und Pensionäre in Höhe von knapp zwölf Milliarden stünden dort Beitragseinnahmen von mehr als 15 Milliarden Euro gegenüber. Und durch die nur noch am Einkommen bemessenen Beitragsforderungen würden auch kleinere Beamte und Ruheständler mit geringer Pension profitieren.
Die Verlierer wären die Privatversicherer, Gutverdiener unter den Beamten – und die Ärzte. Wobei die Alterungsrückstellungen von rund 72 Milliarden Euro, die bei den privaten Versicherern bereits für Beamte gebildet wurden, bei alledem noch gar nicht eingerechnet sind. Sie könnten auch dafür genutzt werden, die Einbußen der Ärzte durch den Verlust der Beamten als Privatpatienten zu kompensieren, heißt es in der Studie.
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