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Kardinal Gerhard Ludwig Müller in seinem Büro in Rom.
© Lena Klimkeit/dpa

Missbrauch in Katholischer Kirche: Kardinal Müller hält Kritik an Kirche für überzogen

Der frühere Regensburger Bischof, Kardinal Müller, findet, dass "Priester a priori verdächtigt werden". Müller stand fünf Jahre der Glaubenskongregation im Vatikan vor.

Der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller sieht die katholische Kirche im Fall von Kindesmissbrauch zu Unrecht so scharf kritisiert. „Es ist offensichtlich, dass die katholische Kirche bei dem Thema härter angegangen wird, dass Priester a priori verdächtigt werden“, sagte der 69-Jährige der Deutschen Presse-Agentur in Rom.

Müller stand fünf Jahre der Glaubenskongregation im Vatikan vor, die auch für die Aufklärung von Missbrauchsfällen zuständig ist. Papst Franziskus hatte Müllers Amt Anfang Juli nicht verlängert. Der ehemalige Regensburger Bischof wehrte sich gegen den Vorwurf, dass er bei der Glaubenskongregation die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen behindert hätte. „Die Kongregation hat trotz mancher Einmischungsversuche immer die Nulltoleranz-Linie vertreten.“

Was die umfassende Aufarbeitung der Missbrauchsfälle bei den Regensburger Domspatzen betrifft, wirft indes der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, dem früheren Regensburger Bischof Müller vor, diese versäumt zu haben. "Müller" hat stets von Einzelfällen gesprochen, aber die strukturellen Versäumnisse nicht untersucht", sagte Rörig der "Pausser Neuen Presse". "Es wäre den Betroffenen zu wünschen, dass er sich wenigstens jetzt für die verschleppte Aufarbeitung entschuldigen würde."
Bei den Regensburger Domspatzen wurden jahrzehntelang Schüler geschlagen und sexuell missbraucht. Rund 500 Sänger wurden Opfer von körperlicher Gewalt, 67 waren von sexueller Gewalt betroffen, wie aus dem am Dienstag vorgestellten Abschlussbericht hervorgeht. Müller sagte in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa dazu, er habe die Aufklärung vorangetrieben und verstehe die Aufregung nicht.

„Es gibt Geistliche - Gott sei es geklagt - die solche Verbrechen begangen haben. Aber deshalb kann man nicht die anderen, nur weil sie auch Priester sind, kollektiv verdächtigen. Prozentual gesehen ist das mit Blick auf die Gesamtzahl der Geistlichen in der Welt sogar weniger als bei vergleichbaren pädagogischen Berufsgruppen - was die Straftat natürlich in keinster Weise entschuldigt und das Leiden der Opfer mindert“, sagte er.

Gegenüber katholischen Geistlichen gebe es wegen des Zölibats große Vorurteile, so Müller. „Da wird gedacht, wenn jemand freiwillig enthaltsam lebt, muss er irgendwo seine Gefühle loswerden. Selbst wenn das stimmen würde, würde ein normaler Mensch die Beziehung zu einer Frau suchen und nicht zu einem Kind.“

Müller will nicht nach Deutschland zurück

Der für die Aufklärung der Missbrauchsfälle in Regensburg zuständige Rechtsanwalt Weber erhob bei der Vorstellung des Abschlussberichts ebenfalls Vorwürfe gegen den heutigen Kardinal Müller, der die Aufarbeitung bei Bekanntwerden des Skandals 2010 in die Wege geleitet hatte. Die Aufarbeitung sei mit vielen Schwächen behaftet gewesen, etwa weil man nicht den Dialog mit Opfern gesucht habe. Eine klare Verantwortung für die strategischen, organisatorischen und kommunikativen Schwächen müsse deshalb Müller zugeschrieben werden.

Insgesamt lobte der Missbrauchsbeauftragte Rörig das Regensburger Vier-Säulen-Konzept zur Aufarbeitung der Missbrauchsfälle. Dieses sei „ein guter Weg der Aufarbeitung“, sagte er. Dazu gehörten die Aufklärung wie durch den Bericht von Rechtsanwalt Ulrich Weber, aber auch Hilfen, Anerkennung und die wissenschaftliche Aufarbeitung. „Der Aufarbeitungsprozess in Regensburg sollte jetzt Vorbild für den christlichen Bereich sein, aber auch für alle anderen Organisationen, denen Kinder und Jugendliche anvertraut sind“, betonte Rörig. Zugleich forderte er höhere Mindeststrafen für sexuellen Missbrauch von Kindern. Der Mindeststrafrahmen von drei Monaten sei zu gering bemessen.

Der Kardinal selbst lebt weiter in Rom. Eine Rückkehr nach Deutschland sei keine Option. „Was soll ich jetzt in Deutschland, da habe ich alles aufgegeben für den Dienst an der Weltkirche in Rom.“ Traurig sei es schon, dass nun kein Deutscher mehr in einem so hohen Kurienamt sei. Das sehe der emeritierte Papst Benedikt genauso: Der sei auch „enttäuscht“, dass sein Vertrag nicht verlängert wurde, so Müller. (dpa/epd)

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