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"Die Rechte von Opfern wurden mit Füßen getreten", sagt Kardinal Reinhard Marx.
© Rolf Vennenbernd/dpa
Update

Vatikan: Kardinal Marx verurteilt Vertuschung von Missbrauch

Der Vorsitzende der deutschen Bischöfe kritisiert seine Kirche: Akten „wurden vernichtet“, Opfer waren „Willkür“ ausgeliefert. Marx hat vier Forderungen.

Der deutsche Kardinal Reinhard Marx hat bei der Missbrauchskonferenz im Vatikan schwere Versäumnisse der Kirchenverwaltung eingestanden. "Akten, die die furchtbaren Taten dokumentieren und Verantwortliche hätten nennen können, wurden vernichtet oder gar nicht erst erstellt", sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz am Samstag im Vatikan. Nicht die Täter, sondern die Opfer seien "reglementiert" und ihnen sei "Schweigen auferlegt" worden.

"Festgelegte Verfahren und Prozesse zur Verfolgung von Vergehen wurden bewusst nicht eingehalten, sondern abgebrochen oder außer Kraft gesetzt", kritisierte Marx in seinem Vortrag. "Die Rechte von Opfern wurden gleichsam mit Füßen getreten und sie der Willkür Einzelner ausgeliefert. Dies sind alles Geschehnisse, die dem zutiefst widersprechen, wofür die Kirche stehen sollte."

Nicht Transparenz, sondern Taten und deren Vertuschung fügten der Kirche Schaden zu, betonte Marx vor Papst Franziskus und den anderen Teilnehmern des Spitzentreffens. Der sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen sei zu einem "nicht geringen Teil" auf Machtmissbrauch in der Verwaltung der katholischen Kirche zurückzuführen, sagte Marx. "Verwaltung hat hier nicht dazu beigetragen, dass der Sendungsauftrag der Kirche erfüllt wird, sondern im Gegenteil, dass er verdunkelt, diskreditiert und verunmöglicht wurde." Die Menschen müssten der Kirchenverwaltung "vertrauen" können, forderte Marx. Nachvollziehbarkeit und Transparenz seien "alternativlos".

In Deutschland hatte eine Kommission im Auftrag der Bischofskonferenz Missbrauchsfälle zwischen 1946 und 2014 untersucht. Sie hatte im September ihren Bericht vorgelegt. Demnach waren die Fälle von 3677 missbrauchten Kindern und Jugendlichen aktenkundig, tauchten 1670 Kleriker als Beschuldigte auf. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher sein, denn die Kommission stellte fest, was Marx am Samstag vor der internationalen Öffentlichkeit für die Amtskirche eingestand: dass Akten manipuliert und vor allem "in früherer Zeit" ganz oder teilweise vernichtet worden seien.

Immer wieder geraten auch hochrangige Kirchenvertreter in den Fokus, die Täter gedeckt haben sollen. Bekannt ist etwa der Fall des chilenischen Bischofs Juan Barros, der die Sexualdelikte des früheren Pfarrers und Priesterausbilders Fernando Karadima gedeckt haben soll.

Marx fordert vier Maßnahmen

„Transparenz bedeutet nicht die unkritische Annahme und die disziplinlose Verbreitung von Missbrauchsvorwürfen“, stellte Marx klar. Stattdessen sollten Vorwürfe geklärt und konkretisiert werden und die Öffentlichkeit, die Behörden und die römische Kurie zu gegebener Zeit darüber informiert werden. Es gebe keine Gründe, warum Missbrauchsfälle unter das päpstliche Geheimnis fallen sollten, sagte Marx.

Insgesamt müsse die Kirche vier Maßnahmen ergreifen: Vertraulichkeit und Geheimhaltung neu definieren, ihr Rechtssystem öffentlichen Standards anpassen, Zahlen und Einzelheiten zu Missbrauchsfällen öffentlich melden und gerichtliche Verfahren veröffentlichen. Fakten könnten Vertrauen stiften, betonte Marx. „Institutionelles Misstrauen führt zu Verschwörungstheorien bezüglich einer Organisation und Legendenbildung über eine Organisation.“

Papst Franziskus hatte die Konferenz am Donnerstag mit einem Ruf nach "konkreten und wirksamen Maßnahmen" gegen sexuellen Missbrauch eröffnet. Auf seine Einladung waren die 114 Vorsitzenden der katholischen Bischofskonferenzen weltweit nach Rom gereist. Sie sollen noch bis Sonntag über Konsequenzen aus den Missbrauchsskandalen in vielen Ländern beraten, welche die Kirche in den vergangenen Jahren zutiefst erschüttert haben. (Tsp, AFP, dpa)

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