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„Ungeheuer belastet“: Horst Seehofer sieht sein Vertrauensverhältnis zu Angela Merkel gestört.
© Peter Kneffel/dpa

Angela Merkel in der Flüchtlingskrise: Kanzlerin und Union? Eine gestörte Verbindung

Die Kritik an der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin klingt aus den Reihen der CDU ziemlich ratlos – aus der CSU eher schroff. Und auch aus Europa ist nicht viel Hilfe zu erwarten. Eine Analyse.

Ein Rücktritt der Kanzlerin? „Völliger Unsinn“, schimpft Michael Fuchs. Der CDU-Wirtschaftspolitiker ist nicht immer und überall mit Angela Merkel einer Meinung. Aber dass es in den politischen Salons der Republik allmählich chic wird, in Gedankenspielen die Kanzlerin über ihre Flüchtlingspolitik stürzen zu lassen, das geht Fuchs zu weit. „Sie hat nach wie vor die Sache im Wesentlichen im Griff“, sagt er am Freitag im Deutschlandfunk, und: „Ohne Angela Merkel funktioniert in Europa gar nichts.“

Mit Merkel im Moment allerdings auch nicht, und das ist „im Wesentlichen“ ihr Problem. Selbst Wolfgang Schäuble, am Rande des Davoser Weltwirtschaftsgipfels von „Spiegel online“ befragt, verbreitet Pessimismus. Die Frage, ob Deutschland in Europa nicht alleinstehe, beantwortet der Finanzminister zwar pflichtgemäß mit einem knappen „Nein“. Aber er sieht schwarz, dass man sich in Brüssel noch auf Lastenteilung in der Flüchtlingsfrage einigen könnte: „Die Zeit für solche Lösungen läuft uns weg.“

Und anders als in der Griechenlandkrise, wo es auch oft knapp wurde, sehe sich ein Teil der Partner als gar nicht betroffen von dem Problem. „Das halte ich für falsch“, sagt Schäuble, „aber so sehen sie es nun mal.“ Einig sei man sich immerhin, dass der Wanderungsdruck auf den Kontinent reduziert werden müsse: „Wenn das Schengen-System zerstört wird, ist Europa dramatisch gefährdet.“

Neue Fristen für die europäische Lösung

Schäuble plaudert dann noch aus, dass Österreich die Bundesregierung mit seinem Obergrenzenbeschluss vor vollendete Tatsachen gestellt habe: „Ich musste ein bisschen Luft holen, als ich gehört habe, dass diese Entscheidung mit uns nicht sehr eng abgesprochen war.“ Derlei Mitteilungen dürften beim Publikum das Zutrauen in Merkels „europäische Lösung“ freilich nicht steigern, sondern eher den Eindruck der sehr einsamen Kanzlerin verstärken.

Auch im eigenen Land werden ihr weiter letzte Fristen gesetzt. Bei einem Sondertreffen der Unions-Innenminister in Wolmirstedt bei Magdeburg brachte Bundesinnenminister Thomas de Maizière den wahlkämpfenden Kollegen Holger Stahlknecht aus Sachsen-Anhalt zwar von seiner Forderung ab, dass man Flüchtlinge ab sofort zurückweisen müsse. Aber Stahlknecht bleibt dabei, dass eine Europa-Lösung „in den Wintermonaten“ gefunden werden müsse – sonst sei die „nationalstaatliche Lösung“ fällig.

Für die Wahlkämpfer der CDU ist die Situation sicherlich nicht einfach, aber eine in sich ruhende, Zuversicht verbreitende Kanzlerin ist auch für diese allemal besser, als der von manchen geforderte hektische Aktionismus.

schreibt NutzerIn heiko61

Drohung oder Warnung?

Gemessen an den Verwerfungen mit der bayerischen Schwesterpartei sind solche Sätze allerdings harmlos. Merkel hat bei ihrem zweiten Besuch bei der CSU im Wildbad Kreuth massive Vorhalte zu hören bekommen. Das ging bis hin zu dem Satz: „Wenn es nicht in absehbarer Zeit eine andere Flüchtlingspolitik gibt, dann gibt es in absehbarer Zeit eine andere Kanzlerin.“ Der Satz stammt von Georg Eisenreich, Staatssekretär im Münchner Bildungsministerium. Ob er als Drohung gemeint war oder als Warnung, kann man sich aussuchen.

CSU-Chef Horst Seehofer jedenfalls lädt den Streit mit Merkel persönlich auf. „Es ist ein Thema, das mich ungeheuer belastet“, hatte der CSU-Chef in Kreuth gesagt. Das sonst so vertrauensvolle Verhältnis sei gestört und die Koalition in einer ernsten Lage. Seehofer sah wirklich mitgenommen aus. Aber Merkels Sturheit ist ja auch für ihn gefährlich, weil sie an der gern beschworenen Durchsetzungsfähigkeit der Bayern in Berlin zweifeln lässt. Düstere Drohungen mit „Konsequenzen“ sind da auf Dauer kein Ersatz.

Von Merkel kommt zu alledem wie üblich – nichts. Ihre Vize-Regierungssprecherin Christiane Wirtz drückt sich um eine Antwort herum: „Von einer Vertrauensstörung kann ich vonseiten der Bundeskanzlerin nicht berichten“, sagt Wirtz. In klarem Deutsch heißt das so viel wie: „Weiß ich nicht, und wenn ich’s wüsste, würde ich’s nicht sagen.“

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