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Aktion. Extremisten feuern von Gaza aus auf Israel.
© AFP

Gazastreifen: Kalkuliertes Kräftemessen zwischen Israel und der Hamas

Warum weder Israel noch die Hamas Interesse an einem neuen Gazakrieg haben – aber eine Eskalation nicht ausgeschlossen ist. Eine Analyse.

Vorerst scheint die Gefahr gebannt. Seit Samstagabend gilt zwischen Israel, der Hamas und dem Islamischen Dschihad eine Waffenruhe, die bisher nur in der Nacht zum Sonntag kurzzeitig unterbrochen wurde. Wenige Stunden zuvor sah es noch so aus, als schlitterten Israel und Gaza geradewegs in eine neue kriegerische Auseinandersetzung.

Rund 200 Mörsergranaten und Raketen flogen der Armee zufolge in Richtung Israel, 30 davon hielt der Raketenabfangschirm „Eiserne Kuppel“ auf. Die Armee griff als Reaktion darauf mehr als 40 militärische Ziele im Gazastreifen an. Es waren die größten Attacken bei Tageslicht seit dem Krieg im Jahr 2014. Berichten zufolge wurden zwei Menschen getötet, 14 Palästinenser und drei Israelis erlitten Verletzungen.

Die Eskalation bahnte sich bereits am Freitag an, als während der Proteste entlang des Küstenstreifens ein Armeeoffizier von den Splittern einer Granate getroffen wurde. Israels Luftwaffe zerstörte daraufhin einen Tunnel und weitere militärische Ziele in Gaza. Die Hamas schoss mit Mörsergranaten und Raketen zurück.

Der Vorfall zeigt, dass in einer dauerhaft so angespannten Lage auch kleine Ereignisse zu größeren Gefechten führen können, selbst wenn keine Seite daran Interesse hat. Die Hamas weiß, dass im Falle eines Krieges viel auf dem Spiel steht, sie ihre Macht sogar verlieren könnte.

Für Israel ist das weitaus größere Problem momentan der Norden, wo syrische Regimetruppen der Grenze immer näher kommen. Israel will verhindern, dass sich Iran, ein Verbündeter Assads, in der Grenzregion ausbreitet und an Macht gewinnt. Schließlich gelten die Mullahs in Teheran als Erzfeind. Sie haben sich die Auslöschung des jüdischen Staates zum Ziel gesetzt.

Reaktion. Israels Luftwaffe greift Hamas-Stellungen in Gaza an.
Reaktion. Israels Luftwaffe greift Hamas-Stellungen in Gaza an.
© Mahmud Hams/AFP

Doch es bleibt ein Kräftemessen zwischen Israel und den Islamisten in Gaza. Die Hamas versucht, den Ärger der eigenen Bevölkerung in dieser prekären humanitären Situation – ungenießbares Leitungswasser, Strommangel, Nahrungsknappheit, fast vollständig geschlossene Grenzen – auf den „zionistischen Feind“ zu lenken. Und Israels rechtsgerichtete Regierung steht aufgrund der anhaltenden Angriffe mit brennenden Drachen und Granaten unter Druck.

So gibt es Kritik an der Feuerpause. Bildungsminister Naftali Bennett, Vorsitzender der Partei „Jüdisches Heim“, schimpfte, man habe sich von der Hamas die Bedingungen für einen Waffenstillstand diktieren lassen. „Eine Feuerpause ohne ein Ende des Terrors ist keine Abschreckung, es ist eine Kapitulation.“

Nationalreligiöse Politiker wie Bennett haben schon häufiger gefordert, den Beschuss aus Gaza militärisch endgültig zu stoppen. Ihrer Meinung nach müsse die Herrschaft der Hamas militärisch beendet werden, damit die Gefahr für die eigene Bevölkerung gebannt wird. Einige plädieren sogar dafür, den Gazastreifen erneut zu besetzen. Davon halten vor allem Militärs gar nichts. Israel hatte sich unter dem damaligen Premier Ariel Scharon 2005 komplett aus dem Landstrich zurückgezogen.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verteidigte zwar die Entscheidung, die Waffen vorerst ruhen zu lassen, warnte aber die Hamas: „Ich hoffe, sie haben die Botschaft erhalten. Falls nicht, werden sie diese später bekommen.“ Eine Regionalmacht, die das verhindern will und bereits in den vergangenen Jahren um einen Ausgleich der Kontrahenten bemüht war, heißt Ägypten.

Wie schon einige Mal zuvor hat der Geheimdienst des Nilstaates auch die jüngste Feuerpause vermittelt. Das kommt nicht von ungefähr. Kairo hat nach wie vor großen Einfluss auf die Islamisten in Gaza. Es gibt immer wieder Berichte darüber, dass Ägypten darauf drängt, dass im Küstenstreifen Ruhe herrscht. Was wiederum in Israels Interesse ist.

Wenn es um Sicherheit geht, ziehen Jerusalem und Kairo ohnehin an einem Strang. Die Beziehungen beider Ländern gelten als so eng wie selten zuvor.

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