Macron und die „Gelbwesten“: Jupiter braucht Bodenhaftung
Der französische Präsident muss seinen Kurs in der Steuerpolitik revidieren. Ein Kommentar
So schnell ändern sich die Zeiten. Noch vor einem Jahr stand Frankreichs Präsident Emmanuel Macron als neue europäische Lichtgestalt da. Das US-Magazin „Time“ erklärte ihn angesichts des schwindenden Einflusses der deutschen Kanzlerin zum „next leader of Europe“. Doch nun droht dem Jupiter-Präsidenten ein doppelter Absturz. Nicht genug, dass seine europapolitischen Pläne nicht fliegen, weil sich Angela Merkel nicht für die Ideen des französischen Partners – EU-Digitalsteuer, Euro-Zonen-Budget, mobile europäische Eingreiftruppe – verkämpfen will. Obendrein wird Macron auch noch in der Innenpolitik von den protestierenden „Gelbwesten“ auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.
Frankreichs Krise ist hausgemacht
Was sich in Frankreich seit mehr als zwei Wochen abspielt, ist das Ergebnis einer hausgemachten Krise. Anders als beim Brexit auf der benachbarten Insel richtet sich der Unmut der Franzosen nicht gegen die Globalisierung im Allgemeinen oder „Brüssel“ im Besonderen. Die „Gelbwesten“ haben einen klaren Adressaten in Paris: Es ist Macron selbst, der ihnen gefälligst zu mehr Kaufkraft verhelfen soll. An diesem nachvollziehbaren Kern des Protests ändern auch die widerwärtigen Ausschreitungen vom vergangenen Wochenende nichts.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Wut der Franzosen Bahn bricht und dabei zunehmend Radikale die Szenerie beherrschen. Die gegenwärtigen Demonstrationen erinnern an den Protest der „Rotmützen“ in der Bretagne von 2013, der sich ebenfalls an einer Ökosteuer entzündete. Damals wie heute sind es sozial Gebeutelte abseits der Metropolen, die von den elitären Pariser Politzirkeln vernachlässigt werden. Und damals wie heute fehlen Instanzen auf der Ebene der Départements, die den Dialog mit den Protestierenden führen können. Es spricht Bände über die Malaise Frankreichs, dass das Gespräch mit den „Gelbwesten“, das nun flächendeckend im Land stattfinden soll, eigens von Macron dekretiert werden musste. Angesichts der breiten Unterstützung, welche die neue Protestbewegung in der Bevölkerung findet, muss sich auch der Staatschef auf neues Terrain begeben: Er muss zuhören – und seinen Kurs revidieren.