Boris Johnson hat geheiratet: Jung, ehrgeizig, gut vernetzt
Bekannt geworden durch goldene Tapeten, gefürchtet als neue Lady Macbeth. Wie viel Einfluss hat Boris Johnsons dritte Ehefrau Carrie Symonds?
Eines immerhin passiert Carrie Symonds schon lang nicht mehr: als dämliche Blondine abqualifiziert zu werden, jüngste in einer langen Reihe hübscher, junger Frauen, die dem Charme des berühmtesten englischen Zeitungskolumnisten anheimfallen und von diesem alsbald wieder verstoßen werden.
Das geht schon deshalb nicht, weil der weithin bekannte Journalist Boris Johnson, 56, am vergangenen Samstag mit der 33-Jährigen vor den Traualtar der katholischen Kathedrale von Westminster trat. Damit gehört die neue Mrs. Johnson zu einem exklusiven Zirkel von drei Frauen, mit denen Großbritanniens amtierender Premierminister im Lauf der Jahre die Ehe eingegangen ist. Glaubt man an die katholische Kirche, handelt es sich sogar um Ehe Nummer Eins.
Am Glück des frischvermählten Paares ließen die wenigen, auf sozialen Netzwerken kursierenden Fotos keinen Zweifel. In den Medien des Landes und weit darüber hinaus gab Johnsons öffentliches Bekenntnis zur Mutter des gemeinsamen Sohnes Wilfred einer anderen Interpretation von Symonds’ Rolle neue Nahrung: Die politisch erfahrene Instagram-Jüngerin nehme in der Downing Street eine politisch unbekömmliche, weil viel zu einflussreiche Stellung ein. Tatsächlich verfügt Symonds trotz ihrer jungen Jahre über breite politische Erfahrung als Pressechefin der Torys und PR-Beraterin konservativer Minister.
Selbst literarisch wenig gebildeten Briten fällt beim Stichwort der politischen Ehefrau sofort Shakespeare ein: Lady Macbeth als sinistre, ehrgeizige Figur, die mittels ihres sexuellen Einflusses den wohlmeinenden Mann zu immer neuen Schandtaten anfeuert. Entsprechende Anspielungen müssen sich die Frauen von Premierministern stets gefallen lassen, sobald sie als politisch interessiert oder gar politisch versiert bekannt sind.
Im Beraterkreis sind überwiegend Männer
Das ging schon Cherie Blair so, als ihr Mann Tony 1997 für zehn Jahre in die Downing Street No. 10 einzog. Sie bestand – shocking! – darauf, in ihrem Berufsleben als Anwältin weiterhin Ms. Booth zu bleiben. Hingegen nahm an Theresa Mays Ehemann Philip niemand Anstoß, obwohl er bekanntermaßen eminent wichtiger, dabei stets diskreter politischer Berater seiner Frau war, dafür sogar vergangenes Jahr den Ritterschlag erhielt. Ähnliche Ehrungen für Premierminister-Gattinnen sind ausgeblieben.
Symonds bewegt sich in einem noch immer ausgesprochen männlich geprägten Umfeld. Johnsons Beraterkreis besteht überwiegend aus Männern, von Ausnahmen wie der Chefstrategin Munira Mirza abgesehen. Die Macho-Kultur verkörperte vor allem der frühere Chefberater Dominic Cummings. Nach seiner Entlassung fütterte er die Medien mit der Enthüllung, dass Symonds und Johnson 67 000 Euro zusätzlich zu den staatlich erlaubten 35 000 Euro für die Umgestaltung der Dienstwohnung ausgegeben haben, unter anderem für goldene Tapeten. Offenbar sollte das Geld durch einen geheimen Fonds von Parteispendern bezahlt werden – was der Ethikberater der Regierung kürzlich milde als „unklug“ tadelte.
Neben dieser Peinlichkeit verbreitet Cummings allerhand Unbewiesenes: Die damals noch Verlobte des Premiers habe Freunde in einflussreiche Positionen gehievt, durch ihre Schwangerschaft Johnson vom Kampf gegen die Pandemie abgelenkt, wegen eines Zeitungsartikels über ihren Hund Dilyn dessen Pressestelle verrückt gemacht.
Die Erzkonservativen sind misstrauisch
Hinter den Angriffen gegen die junge Frau des Regierungschefs, vermutet Ex-Staatssekretärin Anna Soubry, stecke eine politische Absicht. Symonds unterstützte den Brexit und gilt als Fiskal-Konservative; mit vielen aus ihrer Generation teilt sie aber auch das Interesse am Klimaschutz, an Nachhaltigkeit und gesunder Ernährung. Dies stört die Rechtsaußen der Partei, wie Ben Harris-Quinney von der Bow Group unter Beweis stellte, als er eine „dringende Untersuchung“ ihrer Rolle in der Regierungszentrale forderte.
Neben dem Misstrauen gegen eine kluge, junge Frau verrät dies aber auch das geringe Vertrauen vieler Erzkonservativer in Boris Johnson. Der setzte zwar den harten Brexit durch, vertritt aber seit langem liberale Positionen etwa bei der Gleichstellung von Mann und Frau oder bei der Homo-Ehe. Auch das großzügige Verteilen von Staatsgelder treibt altgedienten Thatcheristen die Zornesröte ins Gesicht. Ein „pragmatischer Tory“ eben, urteilt Johnsons Biograph Andrew Gimson. Daran wird auch die neue Mrs. Johnson wenig ändern, wie groß auch immer ihr Einfluss sein mag.