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Ungeduldig. Kommissionschef Jean-Claude Juncker sagt, er brauche für sein Wachstumsprojekt von den Staaten nicht nur gute Worte, sondern finanzielle Mittel.
© dpa

EU-Investitionsprogramm: Juncker möchte Geld sehen

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker fordert eine Beteiligung der Mitgliedstaaten an seinem Investitionspaket – doch Berlin wartet ab.

Jean-Claude Juncker drückt aufs Tempo. Denn das Projekt ist für ihn von entscheidender Bedeutung. „Ich brauche nicht nur Worte, ich brauche Geld“, sagte der EU-Kommissionspräsident am Mittwoch in Straßburg und forcierte damit sein milliardenschweres Investitionspaket. Sein Appell war an die EU-Mitgliedstaaten gerichtet, denen das 315-Milliarden-Investitionsprogramm ebenfalls für eine Beteiligung offen steht. Nach bisherigem Stand werden die Milliardensummen, die in den nächsten drei Jahren in das Wachstumspaket fließen und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit beitragen sollen, von der Europäischen Investitionsbank (EIB), aus dem EU-Haushalt und zum Großteil von Privatinvestoren gestemmt.

Italien denkt offenbar über finanzielle Beteiligung nach

Beim EU-Gipfel an diesem Donnerstag und Freitag wollen die Chefs das Wachstumspaket auf den Weg bringen, bevor die EU-Kommission im Januar einen Gesetzgebungsvorschlag zum geplanten Investitionsfonds vorlegt. Dieser sieht eine teilweise Verlustabsicherung für Privatinvestoren vor. Während Italiens Regierungschef Matteo Renzi bei dem Spitzentreffen nach den Worten des Fraktionschefs der Sozialdemokraten im EU-Parlament, Gianni Pittella, eine finanzielle Beteiligung seines Landes an dem Paket ankündigen dürfte, hält sich die Bundesregierung noch bedeckt. Es sei nicht absehbar, dass beim Gipfel die „Mitgliedstaaten oder die Bundesregierung über eine mögliche Beteiligung entscheiden können“, hieß es am Mittwoch aus Regierungskreisen.

Grüne verlangen Beitrag Deutschlands in Höhe von zwölf Milliarden Euro

Die Grünen forderten die Bundesregierung auf, sich mit einem Beitrag in Höhe von zwölf Milliarden Euro am Investitionspaket zu beteiligen. Deutschland müsse als wirtschaftlich stärkstes EU-Mitglied „Solidarität zeigen und auch soziale und ökologische Investitionen in Spanien, Italien oder Polen finanzieren“, heißt es in einem Sechs-Punkte-Papier der Bundestagsfraktion, das dem Tagesspiegel vorliegt. Nach der Ansicht der Grünen sollen Mittel für einen deutschen Beitrag zum Wachstumspaket über einen Subventionsabbau freigemacht werden: „Jedes Jahr verbrennt der deutsche Staat 52 Milliarden Euro an umweltschädlichen Subventionen.“

Streit über Anrechnung öffentlicher Investitionen beim Stabilitätspakt

Die Methode, mit der die EU-Kommission nationale Beiträge zum Wachstumspaket generieren möchte, ist aber vor dem Gipfel hoch umstritten. Denn Juncker hat angekündigt, nationale Beiträge „stabilitätspaktneutral“ zu behandeln. Konkret will seine Behörde, die über die Einhaltung der EU-Haushaltsregeln wacht, im Januar darlegen, wie sie die im Stabilitätspakt beinhaltete Flexibilität künftig interpretieren will. Dann würde kein Defizitverfahren mehr eingeleitet, wenn Investitions-Milliarden zu einer Neuverschuldung von mehr als drei Prozent der Wirtschaftsleistung führten. Der italienische EU-Vorsitz unterstützt den Vorschlag, Berlin lehnt ihn ab.

Berlin will möglichst wenig öffentliche Gelder ins Wachstumspaket stecken

Deutschland will möglichst wenig öffentliche Gelder in das Investitionspaket stecken. Deshalb soll beim Gipfel aus Sicht der Bundesregierung vor allem darüber diskutiert werden, wie private Investoren davon überzeugt werden könnten, ihr Geld in Europa anzulegen. Die Bundesregierung hat als Anreiz vor allem weitere Reformen in den EU-Staaten und „investitionsfreundliche regulatorische Rahmenbedingungen“ im Auge, wie aus einem internen Schreiben hervorgeht, das dem Tagesspiegel vorliegt. Bei einem Vorbereitungstreffen für den Gipfel forderten deutsche Vertreter in Brüssel einen „Dreiklang aus Investitionen, Strukturreformen und soliden Finanzen“ – eine Linie, die in Ländern wie Frankreich und Italien, die vorrangig auf Investitionen setzen, kaum Widerhall finden dürfte.

Zudem befürchten vor allem Staaten im Süden der EU, dass der Investitionsfonds zu Lasten bisher bewilligter Strukturprogramme gehen könnte. Die Kommission versichert, es gehe darum, Projekte zu ergänzen und nicht zu ersetzen. Weil es kaum frisches Geld geben wird, sondern Töpfe wie das Forschungsprogramm „Horizon 2020“ angezapft werden sollen, hatten auch Forscher aus Deutschland vor einer Umwidmung gewarnt.

Auch bei der inhaltlichen Ausrichtung der Projekte gibt es sehr unterschiedliche Interessen. Deutschland will besonders die Bereiche Energieunion und Digitales berücksichtigt wissen. Bulgarien und Rumänien treibt hingegen die Sorge um, dass nun vor allem die wirtschaftsstarken Länder einen Großteil der Mittel beziehen könnten. Deshalb fordern Sofia und Bukarest eine geografische Ausgewogenheit bei der Auswahl der Projekte. Das lehnt die Kommission aber bisher ab.

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