#Dorfkinder-Kampagne: Julia Klöckner erntet vor allem Spott
Landwirtschaftsministerin Klöckner will unter dem Hashtag „Dorfkinder“ eigentlich das Landleben feiern. Die Kampagne geht nach hinten los.
Zwei junge Dorfkinder bringen mit einem Mini-Windrad eine Glühbirne zum Leuchten, im Hintergrund blüht der Klatschmohn. Andere Dorfkinder engagieren sich bei der freiwilligen Feuerwehr und beim Fußball behalten sie „das ganze Team im Blick“. Große Dorfkinder eröffnen Dorfläden und ernten im Apfelhain „gemeinsam die Früchte ihrer Arbeit“.
Die Social Media-Kampagne aus dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft soll „ein Bekenntnis zum Land sein“, „positive Beispiele und innovative Ansätze der ländlichen Entwicklung“ bündeln, so heißt es aus dem Haus von Julia Klöckner.
Die Mehrheit der Reaktionen in Social Media war allerdings weniger harmonisch als das Bild, das Landwirtschaftsministerin vom Dorfleben zu vermitteln sucht. Auf Twitter brachten Menschen vor allem Themen wie mangelnde Infrastruktur, saufende Jugendliche und Rechtsextremismus mit dem Landleben in Verbindung.
Zahlreiche Kommentare unter Julia Klöckners Tweet kritisieren die mangelnde Versorgung des ländlichen Raums mit Internet und anderer Infrastruktur, konkrete Aspekte von Klöckners Agrarpolitik und die Tatsache, dass weitere Dörfer für den Kohletagebau abgebaggert werden. Ein Nutzer schreibt im Blick auf den schleppenden Breitbandausbau: „#Dorfkinder wissen nichts von dieser Kampagne, weil sie 2020 immer noch kein Internet haben.“
Andere können mit der suggerierten sozialen Idylle wenig anfagen: Der freie Journalist Henrik Merker berichtet von Hitlergrüßen, Drohungen und Angriffen örtlicher Neonazis, mit denen er sich während seiner Jugend auf dem Dorf konfrontiert sah. Natürlich gebe es auch schöne Erinnerungen an das Spielen mit seinen Freunden und Staudammbauen im Bach. „Aber hängen bleibt meist die Gewalt.“
Kritisiert wird auch die Bildauswahl: Die Dorfkinder der PR-Kampagne sind alle weiß. Der Technik-Publizist Enno Park weist darauf hin, dass vieles, was die Kampagne als dörflich darstellt, genauso in der Stadt existiert. Als Nebeneffekt entzünde sich auf Twitter ein gegenseitiges Bashing des Landlebens durch Städter und umgekehrt. Den Dorfbewohnern werde von den politisch Verantwortlichen Infrastruktur vorenthalten, als Lösung werde ihnen Zusammenhalt verkauft.
Am Tag nach dem Kampagne-Start reagierte Landwirtschaftsministerin Klöckner ebenfalls auf Twitter auf die Kritik. Es sei gut, dass die #Dorfkinder-Kampagne viel Aufmerksamkeit bekommen habe: „Es ist mir ein Anliegen sei, dass das Leben auf dem Land attraktiver wird. Ich hoffe, die Debatte ist Anstoß „für uns alle, bestehende Probleme auf dem Land anzugehen“.
Das Agrarministerium steht immer wieder in der Kritik. Vor wenigen Tagen kippten Brandenburger Imker große Mengen Honig vor das Landwirtschaftsministerium, das laut dem „Bündnis zum Schutz der Bienen“ mit Glyphosat belastet war. Eine der größeren Debatten provozierte im Juni ein von Klöckners Ministerium veröffentlichtes Video vom gemeinsamen Auftritt mit dem Deutschland-Chef von Nestlé, worauf eine längere Diskussion über Lobbykontakte und Konzernnähe folgte.
Johanna Kleibl
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