Verdächtiger flieht in den Irak: Jüdische Gemeinde trauert um ermordete Susanna
Das Opfer: eine 14-Jährige. Der mutmaßliche Täter: ein Iraker. Taten wie der Mord an Susanna F. erregen großes Aufsehen – und erhöhen den Druck auf andere Migranten.
Die in Wiesbaden vermisste 14-jährige Susanna F. ist Opfer eines Gewaltverbrechens geworden. Wie Staatsanwaltschaft und Polizei am Donnerstag in einer gemeinsamen Pressekonferenz bekanntgaben, ist die Jugendliche nach derzeitigem Ermittlungsstand bereits in der Nacht zum 23. Mai in einem Feld bei Wiesbaden-Erbenheim vergewaltigt und getötet worden. Ein am Mittwochabend festgenommener 35-jähriger Asylbewerber aus der Türkei ist am Donnerstag wieder freigelassen worden.
Wie Oberstaatsanwalt Oliver Kuhn sagte, besteht gegen ihn kein dringender Tatverdacht mehr. Der Hauptverdächtige Ali B. befindet sich nach Erkenntnissen der Ermittler auf der Flucht, nach ihm wird gefahndet.
Der 20 Jahre alte Iraker sei vermutlich am vergangenen Donnerstag mit seiner gesamten Familie überhastet abgereist, sagte der Wiesbadener Polizeipräsident Stefan Müller. Die Familie aus Vater, Mutter und sechs Kindern sei nach bisherigen Erkenntnissen von Düsseldorf aus nach Istanbul und von dort aus weiter ins nordirakische Erbil geflogen. Auf den Flugtickets waren andere Namen angegeben als auf den ebenfalls am Flughafen vorgelegten Aufenthaltspapieren für Deutschland, sagte Müller.
Die Gruppe habe aber auch sogenannte Laissez-passer-Dokumente – eine Art Passierschein – in arabischer Sprache mit Passbildern dabei gehabt, die von der irakischen Botschaft ausgestellt worden seien. Am Flughafen wurden nach den bisherigen Erkenntnissen die Passfotos, aber nicht die Namen abgeglichen.
Susanna F. war Mitglied der jüdischen Gemeinde
Der 20-Jährige kam den Ermittlern zufolge im Herbst 2015 nach Deutschland und lebte zuletzt in einer Flüchtlingsunterkunft in Wiesbaden. Auf seine Spur kam die Polizei durch den Hinweis eines 13-jährigen Flüchtlings, der zur Polizei in Wiesbaden aufs Revier gekommen sei. Die weiteren Ermittlungen führten sie dann zum Auffinden der Leiche.
Die 14-jährige Susanna, die aus Mainz stammt, war am 22. Mai mit Freunden in der Wiesbadener Innenstadt unterwegs und kehrte nicht nach Hause zurück. Sie war Mitglied der Jüdischen Gemeinde in Mainz. Die Jüdische Allgemeine zitierte Rabbiner Aharon Ran Vernikovsky mit den Worten, die gesamte Mainzer Gemeinde trauere um sie. „Wir werden für Susannas Familie da sein und ihr, so gut es geht, helfen und sie unterstützen.“
Susanna starb nach Angaben des Leitenden Oberstaatsanwalts Achim Thoma durch Gewalt gegen den Hals. Eine DNA-Überprüfung habe zweifelsfrei ergeben, dass es sich um die Leiche der Jugendlichen handele. Die Jugendliche kannte nach Angaben von Polizeipräsident Müller den Bruder des tatverdächtigen Irakers. Ihre Leiche vergruben sie etwas entfernt vom Tatort. Die Polizei fand sie am Mittwochnachmittag in einem schwer zugänglichen Gelände bei Wiesbaden-Erbenheim.
Der Fall hat, weil es sich bei den Tatverdächtigen um Flüchtlinge handelt, großes Aufsehen erregt – ähnlich wie der Mord an Maria L. 2016 in Freiburg. Deren Mörder und Vergewaltiger, ein junger Asylbewerber aus Afghanistan, wurde kürzlich zu lebenslanger Haft verurteilt.
„Handeln und den Mund aufmachen“
Derartige Verbrechen wirken, wie der Leipziger Journalist Tarek Khello weiß, auf Flüchtlinge in Deutschland zurück. Es sei ohnehin „Alltag, dass Menschen mit dunklerer Haut und Haaren automatisch als kriminell angesehen werden. Wenn einer etwas tut, fällt das auf alle zurück – leider können wir dagegen wenig unternehmen. Es ist, als machte man alle Deutschen dafür verantwortlich, wenn Nazis Flüchtlinge und ihre Kinder verletzen und töten.“ Ihm selbst passiere das sogar bei der Arbeit, sagt Khello, der selbst als syrischer Flüchtling nach Deutschland kam. Als er kürzlich in einem Erfurter Gericht filmte – für die Reportage wurde er für den Civis-Medienpreis nominiert –, sei er der einzige von drei Kollegen gewesen, den die Sicherheitsleute nach einem Messer fragten.
„So etwas nehme ich mit Humor“, sagt Khello, „aber es ist leider tägliche Realität vieler Freunde: Der grundsätzliche Verdacht, gewalttätig, kriminell, gefährlich zu sein, begleitet uns.“ Das hindere viele sogar daran, Kriminelle, die man kenne, anzuzeigen und über Probleme zu reden, „die es unter Geflüchteten gibt wie in jeder anderen großen Gruppe“.
Viele meinten, das solle man der Polizei überlassen, sie selbst hätten schon genug Ärger. So eine Diskussion habe es, sagt Khello, auch nach dem Fall Dschaber Al-Bakr 2016 in Leipzig gegeben, der verdächtig war, einen Anschlag auf den Flughafen Tegel zu planen. Auch hier kam wie im aktuellen Fall der entscheidende Hinweis von anderen Flüchtlingen. Khello entgegnet Zweiflern oft, den Ärger bekomme man auch, wenn man schweige. Seine Maxime: „Handeln und den Mund aufmachen.“
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