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Aiman Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, verurteilte die Attacken gegen Juden in Berlin.
© dpa

Antisemitismus-Experte: "Juden- und Muslimhass folgen einem Muster"

In jüngster Zeit häufen sich die antisemitischen Vorfälle in Berlin. Das finden auch viele Muslime besorgniserregend - aus gutem Grund, sagt Wolfgang Benz von der Technischen Universität.

In den Attacken gegen Juden und Muslime sieht der Zentralrat der Muslime einen Anschlag auf alle , auf die freiheitlich-demokratische Gesellschaft, wie es ihr Vorsitzender Mazyek formuliert. Die Juden in Deutschland sehen sie als„ Ausdruck eines gesellschaftlichen Klimas“. Darin gewinne die negative Darstellung von Juden zunehmend an Akzeptanz“, sagte Deidre Berger, Direktorin des American Jewish Committee in Berlin. Die Beschneidungsdebatte begünstige dies. „Diese unsägliche Diskussion muss beendet werden. Wir brauchen vielmehr eine Debatte über Antisemitismus in der Mitte der Gesellschaft.“ Nach verschiedenen Vorfällen in Berlin sei es an der Zeit für politische Maßnahmen. „Wir brauchen vom Bundestag einen Aktionsplan gegen Antisemitismus.“

Der stellvertretende Vorsitzende des Jüdischen Weltkongresses, Maram Stern, sagte, es sei sei wichtig, „ dass die Gesellschaft als Ganzes solchen Leuten energisch entgegentritt, auf allen Ebenen. Man darf Antisemiten keinen Fußbreit Raum geben.“ Es sei aber positiv, dass die deutsche Politik und die Medien wachsamer geworden seien. „Das war vor ein paar Jahrzehnten noch anders.“ Stern sagte, für ihn sei es besonders bedrückend mitanzusehen, dass ausgerechnet in Deutschland die Debatte um Beschneidungen, aber auch die wachsende Ablehnung Israels Antisemiten nun anzuspornen scheine, sich offener zu zeigen. Auch Charlotte Knobloch, die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, hatte vor Tagen im Tagesspiegel vor einem „Klima der Angst“ gewarnt. Die Beschneidungsdebatte habe dabei „ weniger bewirkt als zutage gefördert.“

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Der frühere Direktor des Zentrums für Antisemitismusforschung an der Berliner Technischen Universität, Wolfgang Benz, erinnert ebenfalls daran, dass auch historisch Antisemitismus nicht auf die „rechte Schmuddelecke beschränkt“ war. Er sei „ immer auch in der Mitte der Gesellschaft positioniert“ gewesen, sagte Benz dem Tagesspiegel, „ebenso wie Muslimfeindschaft – das zeigen die Reaktionen auf Sarrazin – nicht auf bestimmte Schichten beschränkt ist.“

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Alarmgeschrei helfe da wenig, sagte Benz: „Manche haben aber wohl den Fehler gemacht, angesichts des öffentlich gepflegten Philosemitismus die Augen zu verschließen vor alltäglichen Ressentiments. Manche wollen Antisemitismus auf die Haltung gegenüber Israel eingrenzen und verdammen jede Kritik an dessen Regierung als prinzipielle Judenfeindschaft. Und manche haben sich auch, um jüdischen Beifall zu bekommen, darauf festgelegt, alle Muslime zu verteufeln, weil einige wenige von ihnen Terroristen sind. Weil leider viele Israel und die Juden hassen, obwohl die Mehrheit der Muslime – das zeigen die aktuellen Debatten – mit den gleichen Methoden diskriminiert werden wie die Juden. Die Rezepte der Ausgrenzung von Muslimen stammen von Antisemiten.“

Andrea Dernbach, Christian Böhme

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