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Der britische Premier Boris Johnson will bis Mitte Oktober eine Entscheidung bei den EU-Gesprächen erzwingen.
© REUTERS

Gespräche über Handelsvertrag mit der EU: Johnsons Drohung verpufft

Der britische Premier Johnson hatte mit einem Abbruch der EU-Verhandlungen gedroht. Doch auf dieses Spiel will man sich in Brüssel nicht einlassen.

Der britische Regierungschef Boris Johnson hatte damit gedroht, die Gespräche mit der EU über einen Handelsvertrag platzen zu lassen, wenn bis zum EU-Gipfel am 15. Oktober kein Ergebnis vorliegt. Trotz dieser Drohung ist ein baldiger Abschluss der Verhandlungen unwahrscheinlich. Dies geht aus einem so genannten Drahtbericht der Ständigen Vertretung Deutschlands in Brüssel an die Bundesregierung hervor.

In dem mit „VS - Nur für den Dienstgebrauch“ gekennzeichneten Bericht, der dem Tagesspiegel vorliegt, werden mehrere Konfliktpunkte - darunter die Fischerei und die künftige Kooperation im Justizbereich - bei den laufenden Gesprächen aufgelistet. Demnach ist nach der Einschätzung der EU-Kommission nicht damit zu rechnen, dass es in den kommenden zwei Wochen bei den Verhandlungen einen Durchbruch gibt.

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Am 15. Oktober ist in Brüssel ein EU-Gipfel geplant, der sich mit den künftigen Beziehungen zu Großbritannien befassen soll. Trotz der Drohung Johnsons, die Gespräche über die künftigen Beziehungen bis Mitte des Monats bei fehlenden Verhandlungsergebnissen abzubrechen, hatte EU-Chefunterhändler Michel Barnier wiederholt Ende Oktober als Frist für eine Einigung genannt.

„Tunnel“-Gespräche vor dem Gipfel am 15. Oktober sind unwahrscheinlich

Wie aus dem Drahtbericht hervorgeht, hat die EU-Kommission zuletzt Erwartungen gedämpft, dass beide Seiten vor dem Gipfel Mitte Oktober in ein Verhandlungsformat einsteigen könnten, welches im Brüsseler Jargon „Tunnel“ heißt. Bei diesen „Tunnel“-Gesprächen, bei denen mit erhöhter Intensität verhandelt wird, dürfen keine Details nach außen dringen. Die britische Regierung und die  EU kennen diesen Verhandlungsmodus schon: Auf diesem Wege kam vor einem Jahr das Austrittsabkommen zu Stande, das den Brexit im vergangenen Januar ermöglichte.

Eben jenes Abkommen stellt Johnson nun mit einem umstrittenen Binnenmarktgesetz in Frage, gegen welches die EU-Kommission am Donnerstag rechtliche Schritte eingeleitet hat. Das Gesetz würde in der Fassung, die am vergangenen Dienstag vom Unterhaus gebilligt wurde, das Nordirland-Protokoll des Austrittsvertrags aushebeln. Das Nordirland-Protokoll sieht vor, dass es keine harte Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland geben darf.

Dient das Binnenmarktgesetz Johnson nur als Druckmittel?

Ob Johnson es tatsächlich zum Bruch des Austrittsvertrages und einem gleichzeitigen Verstoß gegen das Friedensabkommen für Nordirland aus dem Jahr 1998 kommen lassen würde, ist allerdings offen. Das Binnenmarktgesetz dient ihm offenbar als politisches Druckmittel, um  bei den Gesprächen mit der EU über ein Handelsabkommen einen möglichst guten Deal zu erreichen. Für diese Lesart spricht, dass Johnson den Zeitplan für die abschließende Abstimmung über das Gesetz im Oberhaus noch offen lässt.

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