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Der britische Premier Boris Johnson will vom EU-Austrittsvertrag nichts mehr wissen.
© dpa

Umstrittenes Brexit-Gesetz in London: Im Oberhaus bahnt sich erheblicher Widerstand an

Keine Entspannung für Boris Johnson - selbst wenn das umstrittene Binnenmarktgesetz nächste Woche durchs Unterhaus kommt. Es gibt weitere Hürden.

Iain Duncan Smith gilt bei den britischen Konservativen als Hardliner. Im vergangenen Februar, kurz nach dem Brexit, erklärte er, dass die EU auf dem Weg sei, „der kranke Mann der Welt“ zu werden. Der frühere Vorsitzende der Londoner Regierungspartei sagte zur Begründung, dass die Gemeinschaft der 27 EU-Staaten  überreguliert und wirtschaftsschwach sei.

Damals konnte Duncan Smith noch nicht voraussehen, dass die Corona-Krise Großbritannien in die schwerste Wirtschaftskrise seit 300 Jahren stürzen würde. Doch wer meint, dass Duncan Smith angesichts der verheerenden Zahlen kleinlaut auftreten würde, irrt sich.

Die jüngste Tirade des Tory-Politikers richtet sich gegen Joe Biden. Der US-Präsidentschaftsbewerber hatte erklärt, dass Großbritannien angesichts des drohenden Bruchs des internationalen Rechts durch London nicht mit dem ersehnten Freihandelsabkommen mit den USA rechnen könne – immer vorausgesetzt, dass Biden die Präsidentschaftswahl im November gewinnt.

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Duncan Smith kommentierte dies mit den Worten: „Wir brauchen keine Lektionen zum Friedensvertrag für Nordirland von Herrn Biden.“ Das Karfreitagsabkommen von 1998 hatte einen Schlussstrich unter einen jahrzehntelangen Bürgerkrieg in Nordirland gezogen und für offene Grenzen zwischen Nordirland und dem Rest der Grünen Insel gesorgt.

Ganz im Sinne des Karfreitagsabkommens hatte Biden verlangt, dass Großbritannien eine „harte Grenze“ in der einstigen Bürgerkriegsregion verhindern müsse. Genau dieses Prinzip könnten aber ins Wanken geraten, wenn der britische Premier Boris Johnson sein umstrittenes Binnenmarktgesetz durchs Parlament bringen sollte.

EU-Austrittsvertrag soll „harte Grenze“ in Irland verhindern

Das geplante Gesetz, das den heftigen Protest der EU hervorgerufen hat, steht im krassen Widerspruch zum EU-Austrittsvertrag, den Johnson unterzeichnet hat. Das Binnenmarktgesetz soll es ermöglichen, dass Waren und Dienstleistungen auch nach dem 1. Januar 2021 ohne Kontrollen zwischen Britannien und Nordirland transferiert werden können. Zu diesem Zeitpunkt scheidet Großbritannien mit Ablauf der gegenwärtigen Übergangsphase aus dem EU-Binnenmarkt und aus der Zollunion aus.

Allerdings  erlaubt der gültige Austrittsvertrag durchaus in bestimmten Fällen Kontrollen zwischen beiden Seiten der Irischen See innerhalb des Vereinigten Königreichs. Der Grund: Der Austrittsvertrag sieht vor, dass in Nordirland weiterhin die Regeln des EU-Binnenmarktes gelten. Mit eben dieser Vorkehrung soll gewährleistet werden, dass es auch in Zukunft beim Wegfall von Kontrollen auf der irischen Insel bleibt.

Johnson kann auf eine Mehrheit von 80 Abgeordneten vertrauen

Anfang der kommenden Woche steht in London im Unterhaus die dritte Lesung des Gesetzes an. Johnson kann dabei auf eine Mehrheit von 80 Abgeordneten im Unterhaus vertrauen. Aber selbst wenn das Binnenmarktgesetz im Unterhaus durchkommt, kann sich der britische Premier noch längst nicht entspannt zurücklehnen. Denn im Oberhaus, das ebenfalls seine Zustimmung geben muss, bahnt sich ein erheblicher Widerstand an.

Auch das Oberhaus in London muss dem Binnenmarktgesetz zustimmen.
Auch das Oberhaus in London muss dem Binnenmarktgesetz zustimmen.
© AFP

Das „House of Lords“ kann Gesetzesvorschläge zwar nicht verhindern, aber die Verabschiedung verzögern und Änderungsvorschläge machen.

Zu den Mitgliedern im Oberhaus, die Johnsons Gesetz zur Aushebelung des EU-Austrittsvertrages überaus kritisch sehen, gehört  der Konservative William Hague. Der frühere Außenminister argumentiert, dass Großbritannien die  Führung in Peking nicht wegen des umstrittenen Sicherheitsgesetzes kritisieren könne, wenn London selbst mit dem Binnenmarktgesetz gegen internationales Recht verstoße.

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