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Der britische Premierminister Boris Johnson.
© Paul Ellis/PA Wire/dpa

Handel nach dem Brexit: Johnson will offenbar EU-Vertrag wie mit Kanada oder Australien

Am Montag will Großbritanniens Premier seine Pläne für das Verhältnis zur EU präsentieren. Johnson sollen zwei Modelle vorschweben.

Die britische Regierung schließt nach dem Brexit einem Insider zufolge nicht aus, künftig relativ lockere Handelsbeziehungen zur EU zu unterhalten. Premierminister Boris Johnson prüfe die Option eines Handelsabkommens nach dem Vorbild der Vereinbarungen zwischen der EU und Australien, sagte ein Regierungsvertreter nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters. "Es gibt nur zwei voraussichtliche Verhandlungsergebnisse - ein Freihandelsabkommen wie mit Kanada oder eine lockerere Vereinbarung wie mit Australien - und wir gehen beiden gerne nach."

Johnson soll bereit sein, Grenzkontrollen in Kauf zu nehmen

Auch britische Medien berichteten in der Nacht zu Sonntag, Johnson wolle Großbritannien von der Bindung an EU-Regeln freimachen. Dafür nehme er auch Grenzkontrollen in Kauf, zitierten britische Medien in der Nacht zum Sonntag nicht näher genannte Regierungsquellen. Der Premier wäre zu einem Freihandelsabkommen mit der EU nach dem Vorbild Kanadas bereit, hieß es weiter. Er wolle seine Verhandlungsziele für die anstehenden Gespräche über die künftige Beziehung zur EU in einer Rede vorstellen.

Johnson spricht am Montagvormittag vor Unternehmern und Botschaftern zu diesem Thema, wie eine Regierungssprecherin der Deutschen Presse-Agentur in London bestätigte. Zum genauen Inhalt wollte sie sich nicht äußern. Erst kürzlich hatte der "Telegraph" berichtet, dass Johnson die Souveränität wichtiger sei als reibungsloser Handel. Dafür würde er Handelsschranken wie Zölle akzeptieren.

Der Premier wolle die Karten auf den Tisch legen und in Brüssel ein Freihandelsabkommen nach dem Kanada-Modell vorschlagen, schreibt die Nachrichtenagentur PA. Der Vertrag zwischen der EU und Kanada enthält viele Handels- und Zollerleichterungen. Im Gegenzug wolle Johnson die EU-Standards beim Umweltschutz, bei Arbeitnehmerrechten und Lebensmittelhygiene nicht lockern.

Auch der EU-Chefunterhändler Michel Barnier wird am Montag vorstellen, was er in den Gesprächen mit London erreichen will. Sein genaues Mandat bestimmen jedoch die 27 bleibenden EU-Staaten.

In Übergangsphase nach Brexit kaum Veränderungen

Nach dem Ausscheiden aus der EU in der Nacht zum Samstag ist Großbritannien in eine Übergangsphase eingetreten, in der fast alles wie vor dem Brexit bleibt. Bis Ende des Jahres wollen sich beide Seiten auf Regeln für die künftigen Beziehungen einigen. Gelingt das nicht, droht wieder ein harter Bruch.

Kritiker halten die Übergangsphase angesichts der komplexen Themen für zu kurz. Eine Verlängerung ist zwar möglich, wird aber von Johnson strikt abgelehnt. Die Verhandlungen zwischen der EU und Kanada über ein Freihandelsabkommen hatten mehrere Jahre gedauert.

Europastaatsminister Roth warnt Johnson vor "Rosinenpickerei"

Europastaatsminister Michael Roth (SPD) erwartet schwierige Verhandlungen mit Großbritannien über ein neues Kooperationsabkommen. Die EU-Standards etwa in der Sozialpolitik und bei Verbraucherfragen dürften "nicht unter Druck geraten", betonte Roth am Samstag im Inforadio des RBB. Auch Dumping um die niedrigsten Löhne und Steuern dürfe es nicht geben, sagte Roth weiter.

Roth warnte die Regierung von Johnson vor "Rosinenpickerei". Die verbliebenen 27 EU-Staaten seien "gerade dabei, die EU in der Sozialpolitik zu stärken". Ziel sei die Bekämpfung des Dumpings "um die niedrigsten Löhne", "die niedrigsten sozialen Standards" sowie "die niedrigsten Unternehmenssteuern", sagte Roth dem Sender.

Der SPD-Politiker prangerte auch die britische Europapolitik der vergangenen Jahre an. London habe über Jahrzehnte ein distanziertes Verhältnis zur EU gepflegt. Kaum eine Regierung habe versucht, dem durch eine positive Grundhaltung entgegenzuwirken. In Großbritannien habe Europa mit Blick auf alles, was schiefgehe, als "letzter Lumpenhund herhalten" müssen, kritisierte Roth. (Reuters, dpa, AFP)

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