TV-Debatte im britischen Wahlkampf: Johnson punktet nicht wie erwartet gegen Corbyn
In der ersten TV-Debatte hat Johnson seinen Herausforderer Corbyn heftig attackiert. Laut ersten Umfragen gab es keinen klaren Sieger.
Von der ersten TV-Debatte im britischen Wahlkampf zwischen Premierminister Boris Johnson von den Konservativen und Jeremy Corbyn von der Labour-Partei hat keiner der beiden Kandidaten profitiert. Nach einer Blitzumfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov war das Publikum in ungefähr gleiche Teile in der Frage gespalten, wer das Duell für sich entscheiden konnte. Für Johnson, der als klarer Favorit in die Auseinandersetzung gegangen war, dürfte das eine Enttäuschung sein.
Der Premierminister griff seinen Kontrahenten bei der Debatte des Senders ITV immer wieder scharf wegen dessen Versprechens eines zweiten Brexit-Referendums an. „Werden Sie für den Verbleib oder den Austritt werben?“, fragte Johnson.
Die Labour-Partei will die Briten innerhalb von sechs Monaten in einem Referendum vor die Wahl zwischen einem Brexit mit enger Bindung an die EU und dem Verbleib in der Staatengemeinschaft stellen. Corbyn will sich aber nicht festlegen, ob er für oder gegen den Austritt werben würde. Der Oppositionsführer blieb auch eine klare Antwort schuldig, wie er zu einer zweiten Volksabstimmung über die Unabhängigkeit Schottlands steht.
Corbyn konterte mit dem Vorwurf, Johnson wolle den chronisch unterfinanzierten Nationalen Gesundheitsdienst NHS einem Handelsabkommen mit den USA opfern.
Corbyn sachlich, Johnson angriffslustig
Den Plan des Premierministers, die EU am 31. Januar 2020 mit seinem nachverhandelten Abkommen zu verlassen, bezeichnete er als „Unsinn“. Johnson werde „mindestens sieben Jahre“ zum Aushandeln eines Handelsdeals mit den Washington brauchen. Auch die Übergangsphase bis Ende 2020 werde nicht ausreichen, um sich auf ein Abkommen über die künftigen Beziehungen mit der EU zu einigen.
Johnson war stark darauf fokussiert, seinen Gegner zu attackieren. Corbyn hingegen versuchte mit seiner Sozialpolitik zu punkten. Beide Kontrahenten handelten sich zeitweise den Spott des Publikums ein. Corbyn erntete höhnisches Gelächter, als er seinen Vorschlag einer Vier-Tage-Woche verteidigte. Johnson wurde ausgelacht, als er sich als wahrheitsliebend darstellen wollte.
Tories geben sich als Factchecker aus
Für Empörung sorgten während der TV-Debatte vor allem die Konservativen, die den Namen ihres Kontos im Kurzbotschaftendienst Twitter kurzerhand in "factcheckUK" änderten, um in mehreren abgesetzten Tweets Corbyns Aussagen zu widerlegen.
Die Aktion brachte der Partei viel Kritik ein: "Keine politische Partei sollte versuchen, sich unter dem Deckmantel unabhängiger Journalisten zu tarnen", sagte Ben de Pear, der Herausgeber von Channel 4 News, der ein eigenes @FactCheck-Profil betreibt.
Der Ausgang der vorgezogenen Parlamentswahl am 12. Dezember ist Experten zufolge ungewiss. Laut einer Umfrage von Britain Elects kämen die Tories derzeit auf knapp 38 Prozent der Stimmen, Labour auf gut 28 Prozent. Die Zustimmung für die Brexit-Partei liegt demnach bei knapp neun Prozent. (dpa/AFP)