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Bundespräsident Joachim Gauck.
© dpa

60 Jahre Yad Vashem: Joachim Gauck: "Jeder Mensch hat eine Wahl"

Bundespräsident Joachim Gauck hat am Dienstagabend anlässlich der Feierstunde zum 60-jährigen Bestehen der Gedenkstätte Yad Vashem auf die deutsche Verantwortung für das Schicksal der Juden und des Staates Israel hingewiesen.

Von Antje Sirleschtov

Die Lehren der deutschen Geschichte, Schuld und Verantwortung, auch des Einzelnen: Das waren Themen, mit denen sich Joachim Gauck beschäftigt hat, lange, bevor er Bundespräsident wurde. Nun setzt er die Suche nach Antworten und das Streben nach Versöhnung in seiner Rolle als deutsches Staatsoberhaupt fort. In Israel, in Frankreich und in dieser Woche in Griechenland, wo ihn der Staatsbesuch an Orte deutscher Verantwortung führen wird. Unter anderem nach Ioannina, wo er der Ermordung griechischer Juden gedenken und an das Massaker der deutschen Wehrmacht am 3. Oktober 1943 erinnern will.

Bundespräsident Joachim Gauck besucht Griechenland

Vor dem Hintergrund dieser Ereignisse, aber auch angesichts der in den vergangenen Jahren wieder aufgeflammten Ressentiments gegen Deutsche in Griechenland wird sich Gauck in den kommenden Tagen auch mit Forderungen nach Wiedergutmachung auseinandersetzen müssen.

Am Abend vor seiner Abreise nahm er die Feierstunde zum 60-jährigen Bestehen der Gedenkstätte Yad Vashem und der Ehrung der „Gerechten unter den Völkern“ zum Anlass, auf deutsche Verantwortung hinzuweisen. „Es waren Deutsche, die die Schuld an der Judenvernichtung trugen“, sagte der Präsident und leitete daraus die „besondere Verantwortung“ für das Schicksal der Juden und des Staates Israel ab – und zwar nicht, ohne daran zu erinnern, dass Deutschland nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs lange Zeit „der Konfrontation mit den Opfern nationalsozialistischer Vernichtungspolitik weitestgehend ausgewichen“ ist.

Feierstunde in der Deutschen Oper

Für Gauck geht die Verantwortung aus diesem Teil der Geschichte weiter, sowohl für die Deutschen als auch für alle Völker der Welt. „Wir sollten handeln“, sagte er mit Blick auf aktuelle Konflikte, bei den Menschen vertrieben werden und mahnte „alles Menschenmögliche zu tun, um Menschen zu schützen, die entwürdigt, entrechtet und ermordet werden“. Für Joachim Gauck, der in der DDR lebte und dort als Pfarrer Regimekritikern geholfen hat, bleibt die Mahnung zum Handeln bei Konflikten aber nicht beim Appell an Regierungen und Staaten stehen. In der Deutschen Oper, in der die Feierstunde am Dienstagabend stattfand, erinnerte der Bundespräsident an den Mut der mittlerweile weltweit 24000 Nichtjuden, die in der NS-Zeit Juden geholfen haben. Die „Gerechten“ zeigten, dass „der Mensch selbst unter den Bedingungen von Unterdrückung und Todesdrohung eine Wahl hat“. Er könne das Gute tun, „manchmal durch Unterlassung, manchmal durch aktive Hilfe“. Weder politische Einstellung noch Glaube oder Bildung seien dafür die Voraussetzung, sondern die „Fähigkeit zur Anteilnahme am Schicksal Fremder sowie zum uneigennützigen Handeln“.

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