Letztes Amtsjahr von Frank-Walter Steinmeier: Jetzt wäre es an der Zeit für eine Bundespräsidentin!
Frank-Walter Steinmeiers letztes Amtsjahr beginnt. Kommt im nächsten Jahr zum ersten Mal eine Frau ins Amt?
Zwölf Männer hatten in mehr als 70 Jahren Bundesrepublik das höchste Amt im Staate inne. In einem Jahr steht erneut die Wahl eines Bundespräsidenten an. Oder sollte es jetzt tatsächlich 13 schlagen – und demnächst eine Frau das Land repräsentieren?
„Ich finde, es ist an der Zeit“, sagt die Frauenpolitikerin der Grünen, Ulle Schauws. Ihre Partei dürfte dabei ein Wort mitzureden haben. Es sollte selbstverständlich sein, dass Frauen in Deutschland „natürlich auch Bundespräsidentin“ werden können. Anja Nordmann, Geschäftsführerin des Deutschen Frauenrats, verweist auf sinkende Frauenanteile in den Parlamenten. Angesichts dessen „wäre eine männliche Doppelspitze in Kanzler- und Bundespräsidialamt im Jahr 2022 ein fatales Signal“.
Natürlich wäre auch eine zweite Amtszeit Frank-Walter Steinmeiers denkbar. Wenn die erste für ihn im März 2022 abläuft – er wurde am 18. März 2017 gewählt –, hätte er wie jeder seiner Vorgänger das Recht auf eine zweite – nur Theodor Heuss, Heinrich Lübke und Richard von Weizsäcker amtierten übrigens so lange, Horst Köhler trat nach noch nicht einem Jahr zweiter Amtszeit zurück. Doch hat Steinmeier wirklich eine Chance?
Acht Frauen scheiterten bisher - plus eine
Danach sieht es im Augenblick nicht aus: Die SPD, der Steinmeier bis zum Einzug ins Berliner Schloss Bellevue angehörte und die ihn – zusammen mit der Union – nominierte, wird von Wahl zu Wahl schwächer, und die Parteienlandschaft ist seither noch gründlicher durcheinandergewirbelt. Mit einer AfD, der die Pandemie zwar zugesetzt, die sich aber etabliert zu haben scheint, und den Grünen, die sich an den früheren Platz der Sozialdemokraten schieben.
Auch wenn die Bundesversammlung – das Gremium, dessen einzige Aufgabe die Präsidentenwahl ist – immer für Überraschungen im Detail gut ist, weil ihre Mitglieder nicht an Parteilinien gebunden sind und neben Wahlmännern und -frauen von Bundestag und Länderparlamenten auch Persönlichkeiten aus Sport, Kultur und Zivilgesellschaft darunter sind: Im Großen halten die Mehrheiten. Ein Dacapo für Steinmeier wird daher unwahrscheinlicher, je weiter seine SPD, die sich trotz Umfragewerten deutlich unter 20 Prozent mit einem eigenen Kanzlerkandidaten Mut gemacht hat, nach unten rutscht. Ironie des Schicksals: Steinmeier selbst drängte sie in die dritte Groko unter Merkel, die seit 2018 regiert. Den Stimmenschwund hielt das mindestens nicht auf.
Obwohl es eine Frau noch nie seit 1949 ins höchste Staatsamt schaffte: Immerhin neun Frauen waren in dieser Zeit mit im Spiel, wenn die Bundesversammlung zusammentrat. Oft waren sie freilich Zählkandidatinnen, die von ihren Parteien gerne dann aufgestellt wurden, wenn die sich ohnehin keine Chance ausrechneten.
Nicht einmal Krisen brachen das Gesetz der Reihe
Die SPD-Politikerin Annemarie Renger, zuvor schon erste Präsidentin des Bundestags, war 1979 die erste Frau überhaupt, die kandidierte. Die jungen Grünen wollten 1984 – chancenlos, aber symbolisch – mit der Nominierung der Nichtpolitikerin und Autorin Luise Rinser gleich ein doppeltes Zeichen setzen für ein Amt, das fast durchgehend Berufspolitiker innehatten. Hildegard Hamm-Brücher (FDP) kandidierte zehn Jahre später, es gewann Roman Herzog. Bei der nächsten Wahl traten gleich zwei Frauen erfolglos an, die CDU-Politikerin und damalige thüringische Wissenschaftsministerin Dagmar Schipanski und, von der PDS aufgestellt, Uta Ranke-Heinemann, Theologieprofessorin und Tochter des früheren Bundespräsidenten Gustav Heinemann.
[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Pandemie live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]
Seit damals traten zwar, ausgenommen 2017 vor der Wahl des gemeinsamen Groko-Kandidaten Steinmeier, endlich bei jeder Wahl Frauen an. Aber selbst nach den Rücktritten von Horst Köhler und Christian Wulff, also in Momenten der Krise – sonst eine Frauenförderin par excellence, siehe Angela Merkel –, hielt das Gesetz der Reihe hier eisern: An ihm scheiterten Gesine Schwan (für SPD und Grüne) gleich zwei Mal, 2004 und 2009, sowie die Kandidatinnen der Linken – die Journalistin Luc Jochimsen 2010 und ihre Kollegin, die Nazijägerin Beate Klarsfeld 2012.
Die Erste des erfolglosen Reigens war übrigens selbst gar nicht angetreten: Marie-Elisabeth Lüders. Die liberale Sozialpolitikerin und Frauenrechtlerin erhielt 1954, ohne selbst zu kandidieren, eine Stimme in der Bundesversammlung. Die nötige Mehrheit bekam, klar, ein Mann, ihr Parteifreund Theodor Heuss.
"Frage zur Unzeit"
Könnte also nicht auch der aktuelle Amtsinhaber den Weg für eine Frau ebnen? Frank-Walter Steinmeier, so heißt es aus seinem Umfeld, denke über seine Zukunft nach. Auf die Frage, ob er eine zweite Amtszeit anstrebe, sagte er Anfang Februar der „Rheinischen Post“ offiziell jedoch, auch wenn das Amt für ihn „herausfordernd und erfüllend“ sei, „kommt diese Frage zur Unzeit“. Er denke gerade „nicht an meine persönliche Zukunft“, sondern an alle, denen die Pandemie Übermenschliches abverlange oder die deswegen um ihre Existenz bangten: „Die Zeit dafür kommt, aber jetzt ist sie nicht.“
Hinweis: In der früheren Fassung des Artikels hieß es fälschlich, lediglich zwei Bundespräsidenten hätten eine zweite Amtszeit gehabt. Tatsächlich waren es vier, Theodor Heuss, Heinrich Lübke, Richard von Weizsäcker und Horst Köhler. Köhler trat allerdings nicht einmal ein Jahr nach seiner Wiederwahl zurück.
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität