Schottland vor dem Referendum: Jetzt muss sich sogar die Queen einschalten
Es wird wohl knapp werden am Donnerstag, wenn die Schotten über ihre Unabhängigkeit abstimmen. Premier David Cameron wirft sich in den Kampf wie auch die Chefs anderer Parteien. Und sogar die Queen hat sich geäußert.
Sie ist die Meisterin der kleinen Geste. Ein lässiger Plausch nach dem Kirchgang mit ein paar Untertanen; der Wink eines Polizisten an abseits wartende Reporter, etwas näher zu treten; eine hingeworfene Bemerkung, die, am nächsten Tag, so sicher wie das Amen in der Kirche, Schlagzeilen macht. So griff Königin Elizabeth II. in ihrer schottischen Sommerresidenz Balmoral in die hitzige Debatte um das Schottenreferendum ein.
Oft sind die Großmütter am traurigsten, wenn sich Kinder scheiden, aber wenn sie eingreifen, bekommt es ihnen schlecht. Erst recht bei einer Queen. Erst vor ein paar Tagen dementierte ihr Sprecher eisern, dass sie irgendeine Meinung zum Schottenreferendum am Donnerstag habe, geschweige denn, wie ihre unionistischen Fans forderten, die Schotten zum Fortsetzen ihrer immer schaler gewordenen Ehe im Vereinigten Königreich auffordern würde. „Die Neutralität der Queen in Verfassungsfragen ist ein etabliertes Prinzip unserer Demokratie“, warnte der Buckingham Palast.
Gut, dass ihr nun auch die englische Sprache zu Hilfe kam. „Well, ich hoffe die Menschen denken sorgfältig über die Zukunft nach“, sagte sie in der offensichtlich sorgfältig choreografierten Begegnung und niemand hat, jedenfalls auf Unionisten-Seite, den geringsten Zweifel, was sie meinte. Denn wenn man das Understatement richtig übersetzt, heißt „Think carefully“ auf gut Englisch nicht viel weniger als: So ein Blödsinn. Es war der letzte öffentliche Auftritt der Queen vor dem Referendum, ihre letzter Chance und sie nutzte sie meisterlich.
Die Zukunft auch der Monarchie steht auf dem Spiel
Mitgefühl ist angesagt. Niemand kann zweifeln, dass die Queen, hinter ihrer strahlend neutraler Miene, den Streit der Schotten mit Zittern und Bangen verfolgt. Die Zukunft ihrer Monarchie steht auf dem Spiel. Zwar verbreitete Schottlands Unabhängigkeitsführer Alex Salmond freudestrahlend, die Queen sei „stolz, Königin der Schotten“ zu werden. Aber er redete, wie oft, ins Blaue hinein. Weder hat er die Schotten gefragt, ob sie die Queen wollen, noch die Briten, ob sie diese hergeben. Mit einem Federstrich könnte der Londoner Premier und das Parlament den Schotten die Queen verweigern – wie das Pfund. Und Schotten sind nicht gerade als glühende Monarchisten bekannt. Und wenn schon Monarchie, würden sie dann nicht lieber die alte, 1603 durch die Vereinigung der Dynastien beendete Stuart Dynastie wieder aufleben und den letzten Stuart, Herzog Franz von Bayern, zu ihrem König machen?
Der britische Premierminister David Cameron hat drei Tage vor der Abstimmung im schottischen Aberdeen ein letztes Mal für ein "Nein" geworben. Bei der Volksabstimmung gehe es nicht um eine "Trennung auf Probe", sondern um eine "schmerzhafte Scheidung", sagte Cameron in seiner emotionalen Rede. "Da gibt es keine Wiederholung, keine Wiederkehr, das ist eine Entscheidung ein für alle mal." Ein "Ja"-Sieg würde "das Ende eines Landes bedeuten, das wir alle Zuhause nennen", warnte der Premier. "Mit Kopf, Herz und Seele wollen wir, dass Sie bleiben."
Cameron macht wenig glaubwürdiges Angebot
In einem letzten Versuch zum Erhalt Großbritanniens hatte David Cameron Schottland außerdem weitreichende Selbstbestimmung unter dem Dach der Union versprochen. Wenn das Land beim Referendum am Donnerstag die vollständige Unabhängigkeit ablehne, könne es etwa über die Gesundheitsausgaben selbst entscheiden, heißt es in einem offenen Brief, den neben Cameron auch Oppositionsführer Ed Miliband von der Labour Partei und Vizepremier Nick Clegg von den Liberaldemokraten unterzeichneten. Er erschien am Dienstag auf dem Titel der schottischen Tageszeitung „Daily Record“.
Die stellvertretende schottische Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon erklärte, der Brief sei unglaubwürdig und nicht ausreichend. In der Tat ist es bereits jetzt so, dass die Schotten über den schottischen NHS, den staatlichen Gesundheitsdienst, selber über ihre Gesundheitsleistungen bestimmen. (mit dpa)