Weitere Festnahmen nach Anschlag von Nizza: Jetzt insgesamt sechs Verdächtige in Polizeigewahrsam
Die Behörden haben in Nizza zwei Männer in Gewahrsam genommen. Sie sollen Verbindungen zum mutmaßlichen Attentäter gehabt haben. Auch in Tunesien laufen Ermittlungen.
Nach dem Messerangriff in Nizza mit drei Toten laufen die Ermittlungen auf Hochtouren. Seit der als Terrorismus eingeschätzten Attacke in der Kirche Notre-Dame mitten im Zentrum der südfranzösischen Stadt wurden mehrere Personen in Polizeigewahrsam genommen. Bei den jüngsten Festnahmen in Frankreich am Sonntag handelt es sich um zwei Männer im Alter von 25 und 63 Jahren, teilte die französische Nachrichtenagentur AFP unter Bezug auf Justizkreise am Sonntag mit. Damit wurden seit dem Anschlag in der Kirche am Donnerstag neben dem Täter sechs Personen in Polizeigewahrsam genommen.
Die Strafverfolger konzentrieren sich auf die zuletzt bekannten Kontakte des mutmaßlichen Täters. So wurden dem Sender BFM TV zufolge bereits am Samstag zwei Männer aus der südfranzösischen Stadt Grasse festgenommen, die in der Nähe von Nizza liegt.
Bei dem Terroranschlag hatte ein 21-jähriger Tunesier den Küster und zwei Frauen tödlich verletzt.
Der 21-jährige hatte sich nach Angaben seiner Familie in den vergangenen zwei Jahren zunehmend isoliert und war religiös geworden. Am Freitagmorgen hatten Ermittler bereits die Festnahme eines 47-Jährigen bekanntgegeben, der ebenfalls verdächtigt wurde, kurz vor der Tat mit dem Angreifer in Kontakt gestanden zu haben.
Der 21-Jährige war im September mit anderen Migranten über die italienische Insel Lampedusa illegal in die EU eingereist. Er soll erst kurz vor dem Anschlag in Nizza aufgetaucht sein. Nach der Tat wurde er von der Polizei schwer verletzt und befindet sich nun in einem Krankenhaus.
[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]
Bei dem Anschlag am Donnerstagmorgen in der Basilika Notre-Dame wurden ein 54-jähriger Mann sowie eine 60-jährige Frau getötet. Eine zweite Frau konnte verletzt in eine Bar flüchten, die 44-jährige Brasilianerin erlag dort aber ihren Verletzungen. Laut der Anti-Terror-Staatsanwaltschaft schlitzte der Angreifer dem Mann und der 60-Jährigen die Kehlen durch. Demnach nutzte der Täter dafür ein 30 Zentimeter langes Messer mit einer 17 Zentimeter langen Klinge.
In seiner Tasche fanden die Ermittler zwei weitere Messer, zwei Handys sowie einen Koran. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Angreifer noch viel mehr Menschen töten wollte. Sie ermittelt wegen Mordes im Zusammenhang „mit einer terroristischen Tat“.
Der mutmaßliche Täter war erst vor kurzem aus Italien nach Frankreich eingereist. Einer mit den Ermittlungen vertrauten Quelle zufolge gehen die Behörden davon aus, dass Issaoui nicht länger als 48 Stunden vor dem Anschlag in Nizza eintraf. Einer weiteren Quelle zufolge ist noch unklar, was den 21-Jährigen konkret zu der Tat verleitete.
Issaoui stammt aus einer kinderreichen Familie in der tunesischen Küstenstadt Sfax. Seine Familie kann kaum glauben, dass er der Täter sein könnte. „Das ist nicht normal“, sagte sein Bruder. Andere Verwandte sagten dagegen, der 21-Jährige habe sich zuletzt zurückgezogen. Die Mutter berichtete: „Er bettete, ging zur Arbeit, kam zurück. Mit anderen traf er sich nicht und verließ sonst auch nicht das Haus.“
Laut Nizzas Bürgermeister Christian Estrosi rief der Angreifer mehrfach „Allahu Akbar“ (Gott ist groß), bevor ihn die Polizei mit Schüssen verletzte und festnahm. Nach Angaben aus Ermittlerkreisen war er bis Freitagabend noch nicht wieder bei Bewusstsein. Auch die Behörden in Tunesien eröffneten eine Untersuchung und kündigten an, die französischen Behörden zu unterstützen.
Auch in Tunesien laufen Ermittlungen. Sicherheitskräfte nahmen am Samstag einen Mann fest, der sich im Namen einer bislang unbekannten Gruppe zu dem Messerangriff in Nizza bekannt hatte. Wahrscheinlich gebe es noch eine zweite Person, die ihm bei der Aufnahme des vorgeblichen Bekennervideos geholfen habe, sagte ein Justizsprecher.
„Auf keiner unserer Überwachungslisten“
Das Video war nach dem Angriff in den sozialen Medien aufgetaucht. Darin reklamierte ein Mann die Tat für eine Gruppe mit dem Namen „Ansar al-Mahdi in Tunesien und im Mahgreb“. Die Justizbehörden meldeten jedoch Zweifel an, dass eine derartige Gruppe überhaupt existiert. Bisher sei sie noch nicht in Erscheinung getreten.
Laut Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin stand Issaoui „auf keiner unserer Überwachungslisten, weder auf der französischen noch auf der europäischen.“ Der Minister wiederholte am Freitag, Frankreich befinde sich „im Krieg mit dem islamistischen Extremismus.“
Darmanin kündigte zudem an, tausende zusätzliche Einsatzkräfte auf die Straße zu schicken, um die Sicherheit in Frankreich zu gewährleisten. Demnach werden 3500 Reservepolizisten mobilisiert, damit insgesamt 7000 Sicherheitskräfte den lokalen Behörden zur Verfügung stehen. Insbesondere Schulen und Kirchen sollen besser geschützt werden.
[Alle wichtigen Updates des Tages zum Coronavirus finden Sie im kostenlosen Tagesspiegel-Newsletter "Fragen des Tages". Dazu die wichtigsten Nachrichten, Leseempfehlungen und Debatten. Zur Anmeldung geht es hier.]
Für Frankreich ist es innerhalb von nur zwei Monaten der dritte Angriff mit einem mutmaßlich terroristischen Hintergrund. Ende September wurden bei einem Messerangriff unweit der Pariser Büros der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ zwei Menschen verletzt. Mitte Oktober wurde der Lehrer Samuel Paty von einem 18-jährigen Angreifer enthauptet.
Den Ermittlern zufolge musste Paty sterben, weil er in einer Unterrichtsstunde zum Thema Meinungsfreiheit Karikaturen des Propheten Mohammed gezeigt hatte. Frankreich hat nach dem Angriff in Nizza die höchste Terrorwarnstufe ausgerufen. Der Schutz von Schulen oder Gotteshäusern wurde verstärkt.
Nach den Anschlägen wollen Berlin und Paris nun beim Treffen der EU-Innenminister am 13. November den Kampf gegen den Terror auf die Tagesordnung setzen. Das vereinbarten Bundesinnenminister Horst Seehofer und sein französischer Amtskollege Darmanin.
Neben der Reform der europäischen Asyl- und Migrationspolitik solle auch darüber beraten werden, wie die zur Verfügung stehenden Instrumente künftig besser genutzt werden können, um terroristische Gräueltaten zu verhindern.
Seehofer und Darmanin sprachen in der am Freitag gemeinsam veröffentlichten Erklärung von „heimtückischen Terroranschlägen“ und einer „breiten terroristischen Bedrohung auf europäischem Boden“. Sie mahnten, dass Personen, die von den Mitgliedstaaten als terroristische oder gewalttätige extremistische Bedrohung eingestuft werden, „mit unermüdlicher Wachsamkeit beobachtet werden“ müssten.
Die Innenminister fordern einen zuverlässigen und schnellen Informationsaustausch, wenn diese Personen in andere Mitgliedstaaten reisen oder Verbindungen zu anderen Einzelpersonen oder Netzwerken herstellen. „Dafür brauchen wir ein strenges Registrierungsverfahren an der Grenze und ein effizientes gemeinsames Informationssystem.“ (AFP, dpa)
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität