Wolfgang Schäuble ist stolz auf den Gesundheitsminister: Jens Spahn – und sein Willen zur Macht
Doppelinterviews gibt Wolfgang Schäuble selten. Warum macht er für seinen Parteikollegen Spahn jetzt eine Ausnahme?
Es war kein guter Tag für Friedrich Merz, als Wolfgang Schäuble und Jens Spahn sich im Empfangssaal des Bundestagspräsidenten trafen. Zwei „Zeit“- Journalisten waren auch mit dabei, das Ergebnis ist jetzt in der Wochenzeitung nachzulesen. Das Setting wäre schon ohne Worte eine Botschaft. Doppelinterviews lässt Schäuble selten zu und wenn, handeln sie vom Leben im Rollstuhl.
Dass der Elder Statesman der CDU mitten in der Debatte über Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur dem Co-Kandidaten Armin Laschets die Bühne bietet, kann man gar nicht anders deuten denn als Empfehlung.
Nimmt man die gesagten Worte dazu, wird zugleich eine Abkehr daraus. Schäuble gibt dem Ex-Favoriten Merz zu verstehen: Friedrich, lass' sein.
Ausdrücklich fällt so ein Satz natürlich nicht. Aber Schäuble hat die Kunst der Botschaft zwischen den Zeilen zur Perfektion gebracht, und Spahn weiß auch mit Giftpfeilen zu hantieren.
Klarer Kopf und Mut zum Streit
Der Alte fördert den Jungen seit langem. Er holte ihn für ein paar Lehrjahre als Staatssekretär ins Finanzministerium, als Angela Merkel dem ehrgeizigen Stürmer noch nicht als Minister sehen wollte. Wer hinhörte, konnte früh merken, wie der Bundestagspräsident in der Corona-Krise den Gesundheitsminister wieder protegierte. Schon im Interview mit dieser Zeitung im April hob er Spahns Satz im Bundestag zum Umgang mit der Krise hervor: „Wir werden uns in der nächsten Zeit noch öfter gegenseitig verzeihen müssen.“
Unglaublich klug habe er das gefunden, bekräftigt Schäuble nun: „Ich war in diesem Augenblick richtig stolz, dass er einer von uns ist.“
Nach dem Lob gerät er ins Schwärmen. Was er an dem Jungen schätze? „Klaren Kopf“, „kann gut kommunizieren und formulieren“, diskussionswillig mit Andersdenkenden, aber „schreckt auch vor Streit nicht zurück“, und, vor allem: „Er hat den Willen zur Macht.“
Spahn liefert prompt den Beweis. Früher hat er sich mit frechen Zitaten von der Kanzlerin abgegrenzt. Seit sie selbst ihren Abgang bestimmt hat, ist es nur noch eine Feststellung: „Wir müssen notwendigerweise lernen, uns nicht mehr ausschließlich über Angela Merkel zu definieren.“
Es brauche Neues: „Ich will, dass wir den Anspruch formulieren, unser Land durch die Zwanzigerjahre zu führen.“ Das erfordere einen Plan, „der über Problembeschreibungen hinausgeht“.
Für alle, die noch nicht gleich kapieren, wen das meint, fügt der Münsterländer an: „Zuversichtlich nach vorne schauen statt schwermütig zurück.“ Über wachsende Ungleichheit müsse zum Beispiel gesprochen werden, „und zwar anders als noch zu Beginn des Jahrtausends“. Damals hatte ein junger Finanzpolitiker seine große Zeit als Prediger des Bierdeckels und der Deregulierung.
Schäuble widerspricht nicht etwa, sondern sekundiert: „In den Neunzigerjahren, als ich Fraktionsvorsitzender war, lautete die Parole immer: Deregulierung. Heute wissen wir: Ohne Regulierung geht es nicht.“ Klimawandel, Artensterben seien Zukunftsfragen, auch die Ungleichheit in der Gesellschaft: „Selbst Ludwig Erhard würde heute sagen: So groß darf dieser Unterschied nicht sein.“
Und für alle, die noch nicht gleich kapieren, wen das meint, hat auch der Badener einen Nachsatz. Merz hatte sich vor kurzem mit der Forderung zu Wort gemeldet, jetzt müssten alle sozialen Leistungen auf den Prüfstand. Schäuble lässt ihn kalt abfahren. „Das müssen sie immer. Es ist ein Satz von allgemeiner Gültigkeit. Aber mehr sagt er dann auch nicht aus, bei aller Freundschaft zu Friedrich Merz.“ Zu Deutsch: leeres Geschwätz.
Parteisoldat Schäuble rückt von Merz ab
Keine zwei Jahre ist es her, das der Alte den alten Freund der CDU als Vorsitzenden empfahl. Da war die AfD der gefühlte Hauptgegner, die Flüchtlingszeit noch präsent, die CDU verzagt. Merz entfachte Jubelstürme mit dem vagen Versprechen, die Rechtstruppe zu halbieren. Schäuble glaubte, diese kecke Zuversicht sei das, was die Partei brauche.
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Doch der alte Hoffnungsträger taugt nicht für die neue Zeit. Schäuble, der Parteisoldat, hat es erkannt. Zur Kandidatenfrage will er nichts sagen – „hier“ und jetzt nicht. Aber er gibt eine Jobbeschreibung: „Den Menschen das Vertrauen vermitteln zu können, dass man das Land auch unter schwierigsten Bedingungen steuern kann, dass man Antworten weiß, ohne dass man sie weiß – dieses Vertrauen zu stiften ist eine große Kunst.“
Die konkrete Frage nach Spahns Zukunft bleibt unbeantwortet im Raum. Räumt ihm, der bisher Laschets Nebenkandidat ist, der NRW-Chef noch den ersten Platz auf dem Tandem, freiwillig oder gezwungenermaßen?
Auch Spahn schweigt. Aber er zeigt den Hauptkandidaten, wie man sich Konkurrenten stellt. Laschet und Merz haben versuchen, sich Markus Söder wegzuwünschen – der CSU-Chef sage doch selbst, dass sein Platz in Bayern sei.
Spahn nimmt den Alpenstier gelassen bei den Hörnern: „Ein starker bayerischer Ministerpräsident ist immer auch ein möglicher Unionskandidat.“ Schäuble sagt, die Entscheidung über den Kanzlerkandidat träfen CDU und CSU gemeinsam. Genau so geht Willen zur Macht.
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