Wird er am Ende doch Kanzlerkandidat?: Jens Spahn – ein Mann, der nach ganz oben will
Das Vertrauen der CDU-Basis in die Anwärter auf den Parteivorsitz fehlt. Ein anderer scheint vielen das bessere Zugpferd im Wahlkampf.
Die scheidende CDU-Vorsitzende hat gerade ein Deja vu. Annegret Kramp-Karrenbauer war kaum gewählt, da ließen andere sie wissen, Kanzlerkandidatin sei sie damit längst noch nicht.
Diesmal wissen das die drei Anwärter schon vorher. Pünktlich zur letzten öffentlichen Vorstellungsrunde können Armin Laschet, Norbert Röttgen und Friedrich Merz am Freitag lesen, wie sich ein Geheimfavorit für den Kampf danach in Stellung bringt.
Jens Spahn ist neben CSU-Chef Markus Söder der politische Gewinner der Corona-Krisenpolitik. Und der Gesundheitsminister wäre der letzte, mit so einem Pfund nicht zu wuchern.
Überraschen kann das die drei offiziellen Bewerber nicht. Spahn hatte vor Weihnachten bei seinem Biographen Michael Bröcker vom „Media Pioneer“-Portal ganz offen wissen lassen, dass er sich nicht nur den CDU-Vorsitz zutrauen würde, sondern „auch alles, was daraus folgt“. Im Gespräch mit Bundestagsabgeordneten und Landespolitikern hat er, wie zuerst "Bild" berichtete, noch etwas klareren Text geredet. Er könne sich vorstellen, im März als Kanzlerkandidat zur Verfügung zu stehen, zitiert ihn ein Telefonpartner.
Mit dem Selbstvermarkten hat Spahn keine Probleme
Dabei muss Spahn gar nicht groß Marketing für sich selbst betreiben, obwohl der umtriebige Netzwerker davor nie vornehm zurückscheute. Die halbe CDU kann berichten, wie er sich in Wahlkämpfen ungefragt als Gastredner anzubieten pflegt.
Diesmal ist die Abfolge indessen eher umgekehrt, weshalb Spahns Sprecher halbwegs guten Gewissens versichern konnte, nein, der Minister sondiere seine Chancen nicht. Dafür sondieren Christdemokraten aber seit Monaten bei ihm. Denn viele fürchten, dass keiner der offiziellen Anwärter dafür garantieren kann, dass den nächsten Kanzler nach Angela Merkel wieder die Union stellt.
Armin Laschet gilt als zu unscharf, Norbert Röttgen als intellektueller Florettfechter, leider nur eine politischen Randsportart. In der Kandidatenrunde am Abend hebt Laschet den Wahlsieg in NRW und seine Regierungserfahrung hervor und Röttgen, dass er "kein Lager" sei, sondern Kandidat für alle.
Friedrich Merz sagt, er stehe für ökologische Erneuerung der Marktwirtschaft und einen neuen Generationenvertrag. Aber das, befürchten viele, halten höchstens die schrumpfende Stammwählerschaft und die halbe Junge Union für einen Aufbruch.
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Dass das Trio im ARD-„Deutschlandtrend“ eine Woche vor dem Parteitag fast gleichauf liegt, bestätigt nur die Skeptiker. Unter CDU-Anhängern ist Merz' monatelang klarer Vorsprung auf 29 Prozent geschrumpft, Laschet und Röttgen liegen bei 25 Prozent. Für die Stimmung unter den Delegierten besagen diese Umfragen wenig, aber sie zeigen doch: Selbst die Basis fühlt sich uninspiriert.
Als Kanzlerkandidaten wäre ihr der Bayer Söder mit großem Abstand am liebsten. Nach einem Kandidaten Spahn haben die Demoskopen allerdings gar nicht gefragt. Dabei hält der Gesundheitsminister in den allgemeinen Politiker-Rankings mit Söder und selbst mit Kanzlerin Angela Merkel gut mit.
Auch die Konkurrenz nimmt ihn ernst. Es lag nicht nur an Spahns Zuständigkeit für die Impfstrategie, dass ihn der SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz zum Ziel einer ersten Vorwahlkampfattacke machte.
In der eigenen Partei sieht Spahn sich seit geraumer Zeit in der komfortablen Lage, Aufforderungen abzuwehren, er solle doch am 16. Januar als Parteichef kandidieren. Er bleibe im Team mit dem NRW-Ministerpräsidenten Laschet, versicherte er stets. Dass er bei einem Treffen mit CDU-Jungabgeordneten auf Fragen antwortete, er könne sich's ja über Weihnachten noch mal überlegen, empfanden zumindest manche Teilnehmer eher als Koketterie denn als wirklich ernst gemeinte Ankündigung.
Man liebt den Verrat, weniger den Verräter
Denn dem 40jährigen dürfte bei aller Risikofreude klar sein, dass er mit einem offenen Verrat am Team-Partner mehr zu verlieren als mit einem Sieg zu gewinnen hätte. Der Parteivorsitz der CDU ist kein kleines Amt. Im Rennen um das Kanzleramt kann es aber sogar hinderlich sein.
Das liegt unter anderem an Terminfragen. Söder hatte die im Blick, als er darauf bestand, über den Kanzlerkandidaten der Union erst um Ostern herum zu entscheiden. Auch Wolfgang Schäuble, ein alter und neuer Förderer Spahns, kann den politischen Kalender deuten. Auch der Bundestagspräsident plädiert für eine Entscheidung nach den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz am 14. März.
Die werden schwer für die CDU. In beiden Ländern kandidieren wenig profilierte Herausforderer gegen beliebte Amsinhaber – den Grünen Winfried Kretschmann in Stuttgart, die Sozialdemokratin Malu Dreyer in Mainz.
Niederlagen würden das Konto des neuen Parteichefs belasten. Aber selbst Siege helfen ihm nur, wenn sein eigenes Renommee bis dahin so deutlich zugelegt hat, dass man Erfolge ihm selbst zurechnet und nicht dem Rückenwind der Corona-Krisenmanager in Berlin und München.
Sonst wird ihm wenig übrig bleiben als sich bei Söder daheim in Nürnberg zum Frühstück anzusagen und den Chef der kleinen Schwesterpartei zur Kandidatur zu bitten.
Abwenden ließe sich die Demütigung dann nur mit einer starken Alternative in der eigenen Partei. Nach heutigem Stand der Dinge liefe das auf Spahn zu.
Ob der Gesundheitsminister in zwei Monaten immer noch so beliebt ist, hängt freilich am Fortgang der Pandemie. Beherrschen immer noch Impfprobleme die Schlagzeilen, droht ihm, als Sündenbock ab in die Wüste trotten zu müssen.
Fest steht also nur eins: Für den neuen CDU-Chef beginnt der eigentliche Kampf um die Macht erst nach seiner Wahl.
Kramp-Karrenbauer legt das Dilemma am Freitag schonungslos offen. Ihr Nachfolger werde im Licht der Lage im Frühjahr entscheiden müssen, ob er die Option aufs Kanzleramt selbst ziehe oder anders entscheide, hält sie im Abschiedsinterview mit der „Saarbrücker Zeitung“ fest: „Möglich ist alles.“
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