Regierungskrise in der Ukraine: Jazenjuks Rücktritt ist noch kein Neuanfang
Der bevorstehende Regierungswechsel in Kiew gibt wenig Anlass für Optimismus. Umso wichtiger ist es, dass die EU die Ukraine weiter unterstützt. Ein Kommentar.
Endlich hat der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk seinen Rücktritt eingereicht. Dieser Schritt soll die seit zwei Monaten andauernde Regierungskrise beenden. Jazenjuk war als Reformer angetreten, ist am Ende aber trotz einiger Erfolge an dieser Aufgabe gescheitert.
Als im Februar sogar viele Abgeordnete der Regierungskoalition ein Misstrauensvotum gegen ihn unterstützten, ließ er sich ausgerechnet von Unterstützern des alten Regimes retten: Nur weil die größte Oppositionspartei der Abstimmung fern blieb, konnte Jazenjuk im Amt bleiben. Vertreter der ukrainischen Reformbewegung vermuteten die noch immer einflussreichen Oligarchen hinter diesem Schachzug. Mit diesem Schritt hat Jazenjuk endgültig gezeigt, dass ihm das Amt wichtiger ist als der Reformweg seines Landes.
Nachfolger Jazenjuks könnte nun Wolodymyr Grojsman werden, der als enger Vertrauter von Präsident Petro Poroschenko gilt. Sollte er tatsächlich eine Mehrheit im Parlament erhalten, würden Regierungschef und Präsident endlich an einem Strang ziehen. Doch dass ausgerechnet ein Vertrauter des Staatschefs die Regierung führen soll, ist kein Zeichen für einen Neuanfang in Kiew.
Die Regierungskrise war auch durch den Rücktritt des Wirtschaftsministers ausgelöst worden, der einem anderen Poroschenko-Vertrauten vorwarf, Schlüsselpositionen in Staatsunternehmen mit seinen Gefolgsleuten besetzen zu wollen und auch sonst Reformen zu behindern. Vor diesem Hintergrund würde es ein deutliches Signal sein, die derzeitige Finanzministerin Natalia Jaresko zur Regierungschefin zu wählen, die keiner der alten Seilschaften angehört und ihr schwieriges Amt mit großem Geschick meisterte. Sollte Jaresko der neuen Regierung dagegen nicht mehr angehören, wäre dies ein Rückschlag für den Reformprozess in der Ukraine.
Grojsman gehört nicht zu denjenigen, denen der Ruf der Korruption vorauseilt. Deshalb gilt er für viele Reformer in Kiew als eine Art kleineres Übel. Doch fraglich bleibt, ob er der Richtige sein kann, den dringend notwendigen Kampf gegen die Korruption aufzunehmen und sich dabei auch mit den „grauen Kardinälen“ der ukrainischen Politik anzulegen.
Was jetzt zu tun ist
Für Optimismus bietet der bevorstehende Regierungswechsel in Kiew also wenig Anlass. Umso wichtiger ist es, dass Deutschland und die Europäische Union die Ukraine weiter unterstützen – unabhängig davon, wer in Kiew die Regierung führt. Nach der Orangenen Revolution hatten die Europäer lange auf deren angebliche Helden Viktor Juschtschenko und Julia Timoschenko gesetzt, die dann jedoch das Erbe der Protestbewegung verspielten.
Wenn die EU der Ukraine wirklich helfen will, sollte sie den Kampf gegen Korruption gezielt unterstützen und die junge Zivilgesellschaft fördern. Auch die von der EU-Kommission jetzt vorgeschlagene Visafreiheit für die Ukraine ist ein Schritt in die richtige Richtung. Zugleich sollte die EU der neuen Führung in Kiew klar machen, dass sie nur dann mit Unterstützung rechnen kann, wenn sie entschlossen gegen Korruption vorgeht, die Unabhängigkeit der Justiz gewährleistet und Reformen vorantreibt.