Trotz hoher Staatsverschuldung: Italien ist der größte Einzahler in die Rettungsschirme
Trotz angeschlagener Wirtschaft ist Italien am BIP gemessen der der größte Einzahler in die Euro-Schutzschirme. Italiens Regierungschef Mario Monti versucht momentan sein Land mit radikalen Sparmaßnahmen zurück auf Euro-Kurs zu bringen.
In Deutschland war man sich einig: Der 28. Juni war ein guter Tag für Italien. Und ein schlechter für Deutschland. Die deutsche Elf wurde von Super-Mario Balotelli im EM-Halbfinale zurück auf den Boden der Realität geholt und aus dem Turnier geschossen. Und Angela Merkel, die sich bisher gegen die Vergemeinschaftung der EU-Schulden zur Wehr gesetzt hatte, ließ sich in Brüssel am selben Tag von Super-Mario Monti über den Tisch ziehen und zu einem erleichterten Zugang des „Club Med“ unter die EU-Rettungsschirme überreden.
Am Mittwoch flog Merkel nach Rom ein, um Monti die Hand zu schütteln und zu zeigen: Wir mögen uns noch. Monti hat der Bundesregierung zugleich versichert, mit weiteren Reformen die hohe Staatsverschuldung zurückzufahren. „Die italienische Regierung ist entschlossen, den Weg der Verschuldungseindämmung weiterzugehen“, sagte er nach einem Gespräch mit Angela Merkel. Allerdings hatten Monti nur kurz vor dem Treffen neue Hiobsbotschaften erreicht. Wie das nationale Statistikamt Istat mitteilte, stieg die Neuverschuldung des Landes im ersten Quartal auf 8,0 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Damit liegt das Defizit um einen Prozentpunkt höher als im Vorjahreszeitraum. Als Grund nannte Istat, dass Italien für neue Staatsanleihen höhere Zinsen zahlen muss und der Staat aufgrund der schrumpfenden Wirtschaft weniger Steuern einnimmt. Im Gesamtjahr 2011 lag das Defizit bei 3,9 Prozent. Italien hat Schulden von mehr als 1,9 Billionen Euro.
Monti hat, anders als andere Schuldenstaaten, nie die Einführung von Euro- Bonds verlangt und auch keine Hilfen durch Rettungsschirme. Im Gegenteil: Bisher hat das hoch verschuldete Italien nur einbezahlt. Das Land hat für Griechenland, Portugal und Irland sowie für die neuen Schutzschirme die dritthöchsten Beiträge aller EU-Mitglieder geleistet. In Relation zum Bruttoinlandsprodukt lagen die italienischen Anteile nach einer Studie der Schweizer Großbank Credit Suisse sogar noch leicht über jenen der Spitzenzahler Deutschland und Frankreich.
Monti sah sich denn auch nicht als Sieger von Brüssel. „Ich würde das Ganze lieber so zusammenfassen: Angela plus Mario ist gleich ein Schritt nach vorne für die europäische Wirtschaftspolitik“, betonte Monti in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ am Mittwoch. In der Sache vertritt der Wirtschaftsprofessor mehr oder weniger die gleichen Standpunkte wie Merkel – und tickt dabei deutlich neoliberaler als viele CDU/CSU-Politiker. Monti glaubt nicht an schuldenfinanziertes Wachstum und sieht Haushaltssanierung nicht als Hindernis, sondern als Voraussetzung für nachhaltiges Wachstum.
Der Chef der italienischen „Technokraten-Regierung“ hat seit seinem Amtsantritt im November die Steuern erhöht und die Renten drastisch reformiert. Das Resultat: Italien wird im kommenden Jahr als eines von wenigen EU-Ländern einen ausgeglichen Haushalt aufweisen – im Gegensatz etwa zu Frankreich, das nun zusammen mit Finnland droht, die Beschlüsse von Brüssel zu blockieren. Das – in der Sache letztlich unwesentliche – Nachgeben Merkels hat Montis Reformeifer nicht gebremst, sondern eher beflügelt: Am Freitag wird seine Regierung ein neues Sparpaket vorlegen, das die Streichung von bis zu 300 000 Beamtenstellen vorsieht.
Monti brauchte den Erfolg in Brüssel vor allem aus innenpolitischen Gründen: Viele Italiener sahen in ihm bereits einen willfährigen Erfüllungsgehilfen der „eisernen Kanzlerin“, der sein Land kampflos den Interessen des ewigen deutschen Hegemons opfere. Vor allem Ex-Premier Silvio Berlusconi hatte Stimmung gegen Monti und Merkel gemacht und öffentlich einem Rauswurf Deutschlands aus der EU und einer Rückkehr zur Lira in Italien das Wort geredet. Die Beschlüsse von Brüssel haben Montis Gegnern sehr viel Wind aus den Segeln genommen. Monti hatte Merkel vor dem Gipfel gewarnt, dass seine Regierung in arge Schwierigkeiten geriete, ließe sie ihn mit leeren Händen zurückkehren. Ein Sturz der Regierung Monti und Neuwahlen in Rom hätten zwei mögliche Szenarien zur Folge. Das wahrscheinlichere wäre ein Wahlsieg der stets zerstrittenen und von den reformunwilligen Gewerkschaften abhängigen Linken. Das zweite bestünde in der Rückkehr Berlusconis an die Macht. So oder so: ein europäischer Albtraum.
Dominik Straub