Nach dem Brüsseler Gipfel: Die Euro-Rettung sorgt für Gewitterstimmung
Bei der Euro-Rettung könnte der Schaden sehr groß sein - die Aufregung ist es jetzt schon. FDP-Chef Rösler setzt darauf, dass im Kleingedruckten so weit nachverhandelt wird, dass das die hässlichen Nachrichten von Merkels Niederlage verdrängt.
Der Tonfall ist aufs Äußerste gereizt, und das liegt nicht am drückenden Sommerklima. Der Brüsseler Euro-Gipfel und seine Folgen sorgen für politische Gewitterstimmung. „Die Sozialdemokraten und die Grünen in Deutschland haben mehr das Geschäft von Herrn Monti und Herrn Hollande gemacht als an die Interessen der deutschen Steuerzahler zu denken“, donnert FDP-Generalsekretär Patrick Döring. „SPD und Grüne haben Verrat an deutschen Interessen geübt“, poltert gar der CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. Die SPD koffert zurück: Eine „Ungeheuerlichkeit“ sei das, schimpft Generalsekretärin Andrea Nahles, „dass aus dem Unionslager Dolchstoßlegenden verbreitet werden“.
Kampfbegriffe aus der Weimarer Republik – das gab es in der Berliner Republik noch nicht. Die Wortwahl lässt ahnen, wie viel Druck im Kessel ist, besonders im schwarz-gelben. Angela Merkel musste in Brüssel ein paar lange hochgehaltene Prinzipien der Euro-Rettung unter dem Druck Italiens, Spaniens und Frankreichs fallen lassen. Seither bemühen sich CDU, CSU und FDP um Schadensbegrenzung. Und weil der Schaden sehr, sehr groß sein könnte, der da droht, ist es die Aufregung auch.
Merkels Zugeständnisse an die Südländer nämlich kratzen an dem Prinzip, mit dem die Kanzlerin den eigenen Truppen bisher noch jede Milliardenhaftung verdaulich gemacht hat: keine Hilfe ohne harte Auflagen. In Wirtschaftsblättern wird der Brüsseler Kompromiss schon polemisch als „Sonderwirtschaftszone“ für Banken verspottet. Regierungssprecher Steffen Seibert steht am Montag relativ einsam da, als er versichert, die „Grundprinzipien“ der deutschen Politik seien in der langen Nacht zu Freitag doch bestärkt worden: „Es gibt keine Leistung ohne Gegenleistung.“
Das stimmt sogar. Dass Merkel dieses Prinzip nicht konsequent durchgehalten hat, machen Dobrindt und Döring freilich unfreiwillig selber klar: Wenn die Opposition mit ihren Bedingungen zu Fiskalpakt und Euro-Rettungsschirm ESM die Verhandlungsposition der Kanzlerin geschwächt hat, schließt das das Eingeständnis von Merkels Niederlage logisch mit ein. Tatsächlich hat Italiens Regierungschef Mario Monti als Sturmführer der Südländer die Gegenleistungen auf ein nahezu symbolisches Niveau herunterverhandelt: Italien müsste, wenn es Hilfen haben will, sich nur zur Erfüllung jener Pflichten bereit erklären, die es sowieso hat – etwa aufgrund des nach wie vor gültigen Maastricht-Vertrags.
Bei der Union löst das großes Unbehagen aus, bei der FDP sehr großes Unbehagen. An der Steigerung trägt Finanzminister Wolfgang Schäuble Mitschuld, der gleich den nächsten Tabubruch verkündet hatte: Euro-Bonds seien auch bloß eine Frage der Zeit. „Wenig Verständnis“ habe die FDP-Führung für solche Überlegungen über „mögliche Zeitaspekte“, rügt Döring nach einer Telefonschaltkonferenz des Präsidiums. Außenminister Guido Westerwelle tingelt schon seit Tagen durch die Medien mit gusseisernen Beschwörungsformeln. „Wir wollen eine Stabilitätsunion“, versichert Westerwelle. Das habe die Kanzlerin „klipp und klar“ gesagt, dabei müsse es bleiben.
FDP-Chef Philipp Rösler ist da schon einen Schritt weiter. „Die konkrete Ausgestaltung der Gipfelbeschlüsse ist jetzt das Entscheidende“, erklärt Rösler der „Nordsee-Zeitung“, und dass sich die Menschen auf die FDP verlassen könnten, dass sie auf die „konsequente Verknüpfung von Handeln und Haftung sowie von Haftung und Kontrolle achten“ werde. Etwas weniger kompliziert ausgedrückt soll das heißen: Im Kleingedruckten muss so weit nachverhandelt werden, dass es die hässlichen Nachrichten von Merkels Niederlage verdrängt. Die Brüsseler Beschlüsse ins Gegenteil zu verkehren, dürfte aber kaum gelingen. Immerhin haben die Koalitionäre ein paar internationale Verbündete: Finnland will verhindern, dass der Rettungsfonds ESM Staatsanleihen auf dem freien Markt aufkauft, auch die Niederlande sehen dieses Instrument kritisch. Beide sind Geberländer im Euro-Raum, beide hatten sich in Brüssel energisch gegen Italiens Vorstoß gestemmt. Merkel musste sich vermittelnd einschalten. Dabei war sie im Herzen ganz aufseiten der Finnen und Niederländer. Doch in Berlin, in dem Punkt haben Dobrindt und Döring ja recht, warteten der Bundestag – und die Opposition.
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