Rückschlag für Regierung: IT-Anbieter kann nicht zur Vorratsdatenspeicherung gezwungen werden
Das Oberverwaltungsgericht NRW hält die Vorschriften zu Mindestspeicherfristen für europarechtswidrig. Auch andere Unternehmen könnten sich freiklagen.
Spätestens ab Juli müssen Telekommunikationsunternehmen zeitweise die Verbindungs- und Standortdaten von Teilnehmen speichern, um sie für Zweck der Strafverfolgung verfügbar zu halten. So will es das Ende 2015 in Kraft getretene und vielfach umstrittene Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung. Jetzt hat sich ein Münchner IT-Unternehmen, das Internetzugänge anbietet, vorläufig die Freiheit von dieser Pflicht erkämpft. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen hat sie auf einen Eilantrag hin ausgesetzt (Az.: 13 B 238/17). Der Beschluss gilt nur für die Firma, doch könnten sich auch andere Unternehmen ermuntert fühlen, ihrerseits die Entbindung von der Speicherpflicht einzuklagen. Ihren Kunden könnten sie das als besonderen Dienst für den Datenschutz verkaufen.
Die Europa-Richter sehen die Sache enger als der deutsche Gesetzgeber
Begründet haben die Richter ihren Beschluss mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von 2016, das die Anwendung der Vorratsdatenspeicherung stark einschränkt. Auch in der abgemilderten Variante, die seit 2015 gilt, verstoße sie gegen die EU-Datenschutzrichtlinie zur elektronischen Kommunikation. Denn der EuGH habe verlangt, dass sich die Speicherung von vornherein auf Fälle beschränke, in denen zumindest ein mittelbarer Zusammenhang zum Zweck der Strafverfolgung oder der Abwehr schwerer Gefahren für die öffentlich Sicherheit gegeben sei. Die aktuell geltende Speicherpflicht erfasse jedoch nach wie vor pauschal und anlasslos die Verkehrs- und Standortdaten nahezu aller Nutzer von Telefon- und Internetdiensten. Dass Ermittler nur begrenzt Zugriff darauf hätten, sei keine ausreichende Kompensation, um Datenschutz zu gewährleisten.
Dem Bundesverfassungsgericht liegen ebenfalls Klagen vor
Der Beschluss dürfte Regierung und Sicherheitsbehörden weiter um den Fortbestand der Regelung fürchten lassen. Vor dem Bundesverfassungsgericht sind zudem Beschwerden anhängig. Das Gericht hatte vor sieben Jahren die damals geltenden noch weit pauschaleren Regelungen mit längeren Speicherfristen gekippt. Möglicherweise wird der Gesetzgeber daher einen dritten Anlauf unternehmen müssen – oder aber das Projekt ganz fallen lassen.
Um Datensammlung und Verbrechensbekämpfung ging es auch bei der Justizministerkonferenz am Donnerstag im rheinland-pfälzischen Deidesheim. Die Justizminister der Länder sprachen sich unter anderem dafür aus, dass innerhalb der EU die Fingerabdrücke von Straftätern aus Nicht-EU-Ländern verglichen werden können.
Jost Müller-Neuhof
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