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Facebook-Chef Mark Zuckerberg vertraut die halbe Welt bedingungslos ihre Daten an, bei Huawei gibt man sich skeptisch. (Archivfoto)
© REUTERS

Umgang mit Datenkraken: Ist Huawei wirklich gefährlicher als Facebook?

Demokratien sollen die Daten ihrer Bürger schützen. Aber doch nicht nur vor China. Bitte nicht so selektiv im Blick auf die Gefahren sein! Ein Gastbeitrag.

- Ngaire Woods ist Dekanin der Blavatnik School of Government der Universität von Oxford.

Die USA und einige ihrer Verbündeten haben Maßnahmen getroffen, um den chinesischen Technologiekonzern Huawei aus ihren nationalen Märkten auszuschließen. Allerdings ignorieren sie die vergleichbare Bedrohung, die von Facebook und anderen US-Tech-Giganten ausgeht.

Die Regierung von US-Präsident Donald Trump beschuldigt Huawei des Diebstahls intellektuellen Eigentums, des Betrugs und der Behinderung der Justiz bei der Umgehung von US-Sanktionen gegen den Iran. Außerdem soll der Konzern seine Hardware und die damit verbundene Software angeblich dazu verwenden, für die chinesische Regierung zu spionieren.

Keine Apps, keine Android-Updates

Daher hat die US-Regierung ihren Behörden verboten, Geräte von Huawei (und auch von ZTE, Hikvision, Dahua und Hytera) zu kaufen, und das US-Wirtschaftsministerium hat Huawei auf seine „Entity List“ gesetzt. Das hindert US-Unternehmen daran, den chinesischen Konzern zu beliefern, wenn sie keine (schwer erhältliche) Ausnahmegenehmigung haben. Facebook lässt Huawei keine Apps mehr hochladen, und Google versorgt die Geräte des Konzerns nicht mehr mit Android-Updates. US-Universitäten werden unter Druck gesetzt, ihre Forschungsverbindungen mit Huawei zu kappen.

Andere Länder werden von den USA dazu gedrängt, ihrem Beispiel zu folgen. Deutschland beispielsweise lässt nur Anbieter zu, die zertifiziert sind und überwacht werden. Großbritannien schließt Huawei jetzt aus „wichtigen Netzwerken“ aus und testet die Geräte des Konzerns in einem „umfassenden Prüfzentrum“ (dessen jüngster Bericht vor einem „signifikant höheren Risiko“ warnt).

Facebook beeinflusst bereits Wahlen

Die Sorgen über Huawei sind berechtigt – wie auch die Frage, ob sie sich von den Sorgen über amerikanische Technologie- und Social- Media-Konzerne unterscheiden.

Die Befürchtung ist, Huawei könnte an eine enorme Menge von Daten über uns gelangen, die dann auf eine Art verwendet werden könnten, die unseren Interessen widerspricht, darunter auch zur Beeinflussung der staatlichen Politik. Diese Bedrohungen existieren bereits, da Facebook (dem auch Instagram und Whatsapp gehören) und Google (dem auch Youtube gehört) erstaunlich umfassende Mengen von Daten über ihre Benutzer haben: ihren Standort, ihre Kontakte, ihre Fotos, ihre Downloads, ihre Internetsuchen, ihre Vorlieben, ihre Käufe und vieles mehr.

Datenmissbrauch? Bei Google nachgewiesen

Mit anderen Worten, die US-Digitalgiganten speichern bereits heute die Art von Daten, die Huawei in Zukunft sammeln könnte. Und bei Google und Facebook wurde bereits festgestellt, dass die Konzernen die ihnen anvertrauten Daten missbrauchen. Der Unterschied, so sagt man uns, liege darin, dass Huawei aus China stammt, einem strategischen Rivalen der USA. Die von dem Konzern gesammelten Daten könnten dazu verwendet werden, die politischen Systeme und den geopolitischen Einfluss der demokratischen Länder zu schwächen.

Aber Facebook untergräbt bereits jetzt den demokratischen Prozess – auch in den USA, wo die Plattform die ausländische Einmischung in Wahlen ermöglicht hat. Außerdem hat Facebook Spaltung und Angst gefördert und sich geweigert, Hassbeiträge, die Leugnung des Holocausts und antisemitische Einträge zu entfernen. Die Plattform wurde als „Megaphon für den Hass“ gegen Muslime bezeichnet und beschuldigt, zum Genozid gegen die Rohingya in Myanmar beigetragen zu haben. Die Trump-Administration und andere westliche Regierungen lassen sich allerdings – ganz im Gegensatz zu ihrem strengen Durchgreifen gegen Huawei – mit Gegenmaßnahmen außerordentlich viel Zeit.

Sind Privatunternehmen per se vertrauenswürdiger?

Ein möglicher Grund dafür, dass Google und Facebook als das geringere Übel betrachtet werden, ist, dass sie Privatunternehmen sind. Anders Huawei, das als abhängig von der Kommunistischen Partei China betrachtet wird. Aber Google arbeitet in erheblichem Maße für die US-Regierung, darunter auch für das Militär und die Geheimdienste, und das Profitmotiv hält Facebook nicht davon ab, eine Bedrohung zu sein – vielmehr erhöht sich dadurch die Gefahr noch.

Dies liegt daran, dass Facebooks Gewinne davon abhängen, dass der Konzern unsere Aufmerksamkeit maximal ausbeutet. Die wird dann an Anzeigenkunden oder Benutzer verkauft, die ihre Beiträge „promoten“ wollen. Je mehr Aufmerksamkeit, desto profitabler wird die Plattform.

Facebook kümmert nicht, was von seiner Plattform aus geschieht

Der Konzern hat enorme Mengen von Daten über uns gesammelt und verkauft somit die Möglichkeit, uns persönlich anzusprechen, an jeden, der dafür zu zahlen bereit ist – sogar dann, wenn diese Kunden beabsichtigen, unsere Gesellschaften und Institutionen zu zerstören. Die Tatsache, dass Facebook den sozialen Zusammenhalt zerstört, die Demokratie schwächt und die Entstehung autoritärer Regimes erleichtert, scheint den Konzern selbst, wie sein Verhalten nahelegt, nicht zu kümmern.

Die direkte und kategorische Antwort der Trump-Regierung auf die mögliche Bedrohung durch Huawei hat einige andere Regierungen davon überzeugt, sich ihm anzuschließen – weil Demokratien die Daten ihrer Bürger schützen und es verhindern müssen, dass sie auf eine Art verwendet werden, die die Demokratie untergräbt. Ist das aber der Fall, sollten die westlichen Regierungen ebenso schnell entschieden gegen Facebook und Google vorgehen.

- Aus dem Englischen von Harald Eckhoff. Copyright: Project Syndicate, 2019. www.project-syndicate.org

Ngaire Woods

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