Streit zwischen SPD und Ökopartei: Ist die Klimapolitik der Grünen unsozial?
Die Grünen wehren sich gegen Vorwurf des Neoliberalismus. Entsprechende Attacken der SPD seien nur ein Ablenkungsmanöver, sagt Grünen-Fraktionschef Hofreiter.
Im Streit um eine sozial ausgewogene Klimapolitik liefern sich SPD und Grüne einen harten Schlagabtausch. Als „billig“ und „peinlich“ wiesen Grünen-Politiker die Kritik des SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich am Kurs der Öko-Partei zurück. „Die billigen Attacken und falschen Behauptungen sind ein bloßes Ablenkungsmanöver, um über die Mängel des eigenen Klimapakets hinwegzutäuschen“, sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter dem Tagesspiegel. Er forderte die SPD dazu auf, die Beschlüsse der großen Koalition zur Senkung der CO2- Emissionen nachzubessern.
Mützenich hatte den Grünen am Wochenende im Interview mit dieser Zeitung vorgeworfen, in der Klima-Politik „neoliberal zu handeln“ und dabei die Belange von Geringverdienern außer Acht zu lassen. Der SPD-Politiker begründete dies unter anderem mit der Forderung der Grünen, CO2-Emissionen für alle Bürger stark zu verteuern. Die Grünen wollen den Kohlendioxid-Ausstoß im Verkehr und bei der Gebäudeheizung gleich zu Beginn mit 40 Euro pro Tonne belasten. Das wären 30 Euro mehr, als im Klimapaket der großen Koalition vorgesehen.
Über einen entsprechenden Antrag des Bundesvorstands soll ein Grünen-Parteitag im November entscheiden. Neben dem höheren CO2-Preis wird in dem Papier auch ein sofortiges Verbot des Einbaus von Ölheizungen und eine Reduzierung der Fleischproduktion verlangt.
Mützenich kritisierte, die Klimapolitik der Grünen habe womöglich damit zu tun, dass ihre Wählerschaft im Durchschnitt über ein hohes Einkommen verfüge. „Wir dagegen haben aber auch diejenigen im Blick, die nicht über genügend Geld verfügen, um ohne große Einbußen klimagerecht zu leben und zu konsumieren.“ Der Staat müsse „erst Rahmenbedingungen auch und vor allem für Geringverdiener schaffen, damit die Gesellschaft umsteuern kann.“
Linke: Grüne betreiben Klientelpolitik für Besserverdienende
Auch Linken-Chef Bernd Riexinger warf den Grünen vor, sie betrieben Klientelpolitik für Besserverdiener. „Wir brauchen eine sozial-ökologische Transformation unseres gesamten Wirtschaftssystems. Und zwar eine, die alle mitnimmt und nicht nur die, die es sich leisten können“, sagte Riexinger den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Hofreiter erklärte dagegen, die Grünen hätten mit dem Energiegeld einen Vorschlag für einen CO2-Preis unterbreitet, der klimapolitisch wirke und sozial gerecht sei. „Mit unserem Konzept werden alle Einnahmen an die Bürger zurück geleitet und geringe Einkommen somit entlastet.“ Das so genannte Energiegeld soll nach dem Willen der Grünen 100 Euro im Jahr betragen und an alle Bürger gezahlt werden, um die Kosten für die Einführung des CO2-Preises abzufedern. Menschen mit niedrigerem Einkommen würden davon überdurchschnittlich profitieren, da sie weniger CO2 produzierten, argumentieren die Grünen.
Der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold ging ebenfalls hart mit Mützenich ins Gericht. Es sei „peinlich“, die Pläne der Grünen zur Marktregulierung als neoliberal zu kritisieren. Neoliberal sei es vielmehr, „dem größten Marktversagen der Geschichte – dem Klimawandel – mit einem wirkungslosen Maßnahmenpaket entgegen zu treten“.
In Berlin und anderen Großstädten wollen Klimaaktivisten an diesem Montag mit Straßenblockaden den Verkehr lahmlegen. Dazu aufgerufen hat die Umweltgruppe „Extinction Rebellion“. Vor dem Kanzleramt in Berlin errichteten bereits am Wochenende mehr als 1000 vorwiegend junge Demonstranten ein Zeltlager.
Die kommissarische SPD-Chefin Malu Dreyer zeigte Verständnis für das Anliegen der Aktivisten. „Ich verstehe die Ungeduld von vielen“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Manche Bürger müssten aber erst von der Bedeutung des Klimaschutzes überzeugt werden. „Hier liegt ein großes Spaltungspotenzial für unsere Gesellschaft. Es ist unsere Aufgabe, dem entgegenzuwirken.“