Kampf gegen Terrormiliz IS: Ist die Bundeswehr überfordert?
In 16 Auslandseinsätzen steckt die Bundeswehr jetzt schon. Ein besonders schwieriger kommt nun hinzu. Drei werden ausgeweitet. Ist die Truppe den neuen Aufgaben überhaupt gewachsen?
Bis zu 1200 deutsche Soldaten sollen die Luftangriffe gegen die Terrororganisation "Islamischer Staat" unterstützen. Zusätzlich werden die Bundeswehreinsätze in Afghanistan, Mali und im Irak ausgeweitet. Der Bundeswehrverband fordert deshalb eine Aufstockung der Truppenstärke um 5000 bis 10 000 Soldaten. Ist die Bundeswehr in ihrem jetzigen Zustand etwa untauglich für ihre neuen Aufgaben? Eine Musterung.
Wie hat sich die Truppenstärke in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt?
Im Kalten Krieg hatte die Wehrpflichtarmee Bundeswehr fast eine halbe Million Soldaten. Nach der Wiedervereinigung und der Eingliederung der Nationalen Volksarmee der DDR waren es vorübergehend sogar fast 600 000 Soldaten. Seitdem schrumpfte die Truppe bis heute auf 179 000 Soldaten.
Wieviele Soldaten sollen zusätzlich in Einsätze geschickt werden?
Für die sechs „Tornados“, das Tankflugzeug und die Fregatte für den Kampf gegen den IS werden bis zu 1200 Soldaten benötigt. Zudem sollen bis zu 820 zusätzliche Soldaten nach Afghanistan, in den Irak und ins westafrikanische Mali geschickt werden. Macht zusammen also gut 2000. Gleichzeitig werden aber bis Ende Januar die 300 Soldaten aus der Türkei abgezogen, die den Nato Partner mit „Patriot“-Abwehrraketen vor Angriffen aus Syrien geschützt haben.
Und wieviele Soldaten sind jetzt schon im Auslandseinsatz?
Wegen des Abzugs aus Afghanistan sank die Zahl der im Ausland eingesetzten Soldaten in diesem Jahr auf den niedrigsten Stand seit den 90er Jahren. Derzeit sind 3120 Soldaten in 16 Einsätzen, künftig werden es also an die 5000 sein. Das sind dann aber immer noch nicht einmal halb so viele wie zu Hochzeiten, als die Bundeswehr auf dem Balkan und in Afghanistan gleichzeitig sehr stark engagiert war. 2002 nahmen 10 400 deutsche Soldaten an Auslandseinsätzen teil.
Warum beklagt sich denn dann der Bundeswehrverband?
Die größte Belastung sind für die Bundeswehr derzeit nicht die Auslandseinsätze, sondern die Flüchtlingshilfe im Inland, für die 7500 Soldaten gebraucht werden. Hinzu kommen Nato-Verpflichtungen. Deutschland ist in diesem Jahr mit 4600 Soldaten maßgeblich an der schnellen Eingreiftruppe des Bündnisses beteiligt, deutsche „Eurofighter“ überwachen den Luftraum über dem Baltikum und deutsche Schiffe sind in Nato-Marineverbänden unterwegs. Für einen EU-Einsatzverband sollen ab dem zweiten Halbjahr 2016 rund 2000 Soldaten bereitgestellt werden. Insgesamt haben 20 500 Soldaten „besondere Aufgaben“.
Ist die Forderung nach mehr Soldaten politisch durchsetzbar?
Das wird schwierig. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hätte nichts dagegen. Sie hat die Vergrößerung der Bundeswehr selbst ins Gespräch gebracht: „Mir ist schon klar, dass, wenn die Welt weiter so hohe Anforderungen an uns stellt, wir auch im Personalkörper sicherlich die Offenheit haben müssen, auch da nachzusteuern“, sagte die CDU-Politikerin am Donnerstag. Bei Außenminister Frank-Walter Steinmeier vom Koalitionspartner SPD kam das nicht gut an. Im Kabinett gebe es keine Diskussion über eine Vergrößerung der Bundeswehr, betonte er. Eine Aufstockung wäre jedenfalls ein Paradigmenwechsel. Die vor vier Jahren mit der Aussetzung der Wehrpflicht eingeleitete Bundeswehrreform wäre damit endgültig nur noch Makulatur.
Ist denn die Ausrüstung wenigstens einsatztauglich?
Für die laufenden und geplanten Einsätze reicht es. Insgesamt lässt die Einsatzbereitschaft gerade des „fliegenden Geräts“ aber zu wünschen übrig. So sind nur 44 Prozent der „Tornado“-Kampfflugzeuge einsatzbereit. Die Bundeswehrführung hält die Einsatzbereitschaft aber erst ab 70 Prozent für vertretbar. Auch der Kampfjet „Eurofighter“, das Transportflugzeug Transall und die wichtigsten Hubschrauber bei Luftwaffe, Heer und Marine verfehlen diesen Wert deutlich.
Was wird getan?
117 Maßnahmen wurden eingeleitet und 5,6 Milliarden Euro für einen Zeitraum von zehn Jahren für die Mängelbeseitigung veranschlagt. Mit spürbaren Verbesserungen rechnet das Ministerium aber erst ab 2017. Das liegt unter anderem daran, dass die Beschaffung von Ersatzteilen sehr lange dauert - bei der Luftwaffe kann man schon mal zwei Jahre darauf warten. (dpa)