Nahost-Konflikt: Israeli stirbt bei Raketenangriff aus dem Gazastreifen
Die Lage der palästinensischen Zivilbevölkerung im Gazastreifen wird immer verzweifelter. Dennoch denkt die Hamas nicht ans Einlenken. Kann UN-Generalsekretär Ban Ki Moon eine Waffenruhe vermitteln?
Bei einem Raketenangriff militanter Palästinenser aus dem Gazastreifen ist am Samstag ein 32 Jahre alter Israeli getötet worden. Zwei Kleinkinder im Alter von einem und vier Jahren sowie zwei 30 Jahre alte Frauen seien mit Verletzungen in ein Krankenhaus gebracht worden, wie Polizeisprecher Micky Rosenfeld mitteilte. Demnach traf die aus dem Gazastreifen abgefeuerte Rakete ein Haus in einem Beduinendorf nahe der südisraelischen Stadt Dimona. In der Nähe von Dimona steht Israels Atomreaktor. Es handelte sich um den zweiten israelischen Zivilisten, der seit dem Beginn der israelischen Luftangriffe auf Gaza am 8. Juli durch den Beschuss von Palästinensern getötet wurde.
Bei weiteren Angriffen der israelischen Luftwaffe sind am Samstagvormittag elf Palästinenser im Gazastreifen getötet worden, darunter ein sechsjähriges Kind. Nach Angaben palästinensischer Ärzte wurden allein in einem Haus in Chan Junis, das von den israelischen Streitkräften getroffen wurde, fünf Leichen entdeckt. Das Kind starb demnach im nördlichen Beit Lahija. Mit den jüngsten Opfern wurden seit Beginn der israelischen Militäroffensive vor knapp zwei Wochen bereits mindestens 318 Palästinenser getötet und fast 2300 weitere verletzt. Auf israelischer Seite wurde ein Zivilist und ein Soldat getötet. Berichten israelischer Medien zufolge kam es zudem am Samstag zu Zusammenstößen zwischen militanten Palästinensern und israelischen Streitkräften an der Grenze. Die radikalislamische Hamas sprach von Kämpfen auf israelischem Gebiet, die israelische Armee äußerte sich zunächst nicht offiziell dazu.
Die Hamas beschießt trotz der vielen Opfer Israel weiter mit Raketen. Ihr militärischer Arm erklärt sogar, die Hamas richte sich auf einen langen Kampf ein. Die israelischen Streitkräfte erklärten dagegen am frühen Samstagmorgen, die Hamas und andere Terrororganisationen im Gazastreifen seien nach Jahren der Aufrüstung hart getroffen worden. Die Operation werde fortgesetzt. Die Streitkräfte täten das, was nötig sei. Bei einem neuen israelischen Luftangriff auf Chan Junis im südlichen Gazastreifen sind am frühen Samstagmorgen nach palästinensischen Angaben sechs Menschen getötet und 20 verletzt worden. Das teilte der Sprecher des palästinensischen Rettungsdienstes, Aschraf al-Kidra, mit. Augenzeugen berichteten, eine Gruppe junger Leute habe in der Nähe ihrer Wohnungen gesessen, als sie von einer israelischen Rakete getroffen wurde. Seit Beginn der israelischen Offensive am 8. Juli sind nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza-Stadt mehr als 300 Palästinenser getötet und über 2100 verletzt worden. Zwei Drittel der Toten seien Zivilisten gewesen, darunter auch Frauen und Kinder. Allein am Freitag seien 63 Palästinenser ums Leben gekommen. Das Ministerium erklärte, es erwarte, dass die Opferzahlen weiter steigen werden, wenn Israel seine Offensive im Gazastreifen nicht beenden werde.
Ban Ki Moon will sich für eine Waffenruhe zwischen Israelis und Palästinensern einsetzen
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon will sich unterdessen für eine Waffenruhe zwischen Israelis und Palästinensern einsetzen, sagte der stellvertretende UN-Generalsekretär Jeffrey Feltman am Freitag bei einer kurzfristig einberufenen Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats in New York. Ban reist am Samstag in den Nahen Osten. Der EU-Ministerrat rief beide Seiten auf, umgehend einem Waffenstillstand zuzustimmen. Mit dem ersten massiven Vorstoß in das Palästinensergebiet seit 2009 will Israel die militärische Infrastruktur der Hamas und verbündeter Gruppen zerschlagen. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kündigte an, dass die Operationen sogar noch ausgeweitet werden könnten. Ein Hamas-Sprecher sagte, der Gazastreifen werde sich in einen „Friedhof für israelische Soldaten“ verwandeln, sollten die Truppen weiter ins Innere des Küstenstreifens vordringen.
Der Einsatz der Bodentruppen, den Luftwaffe und Marine unterstützten, weckte international Sorgen, dass es in dem dicht besiedelten Küstenstreifen am Mittelmeer noch mehr zivile Opfer geben wird. Die Offensive begann nach tagelangem Beschuss und einer vereitelten Kommandoaktion militanter Palästinenser, die offenbar einen Anschlag in Israel verüben wollten.
Vorerst will das Militär offenbar eine Art Pufferzone am Rand des Gazastreifens schaffen, um den Mörserbeschuss israelischer Orte künftig zu verhindern. Auch sollen jene Tunnel zerstört werden, die die Hamas unter der Grenze angelegt hat, um Angriffe und Entführungsaktionen auf grenznahe israelische Ortschaften zu starten.
Papst Franziskus rief Israels Staatschef Schimon Peres und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas an und äußerte „seine sehr ernste Sorge“ über die Eskalation des Nahost-Konflikts. Auch US-Präsident Barack Obama zeigte sich tief besorgt über die Gefahr einer weiteren Eskalation der Gewalt. Washington hoffe, dass Israel Zivilisten schone. Erneut plädierte Obama für eine Feuerpause. Zugleich stellte sich der US-Präsident demonstrativ hinter die Regierung in Jerusalem.
Angela Merkel: Israel hat ein Recht auf Selbstverteidigung
In einem Telefonat mit Netanjahu habe er seine „Unterstützung für Israels Recht, sich selbst zu verteidigen“, betont, sagte Obama. Keine Nation müsse es hinnehmen, dass sie mit Raketen beschossen werde und Terroristen unter ihrem Territorium Tunnel bauten. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte, Israel habe ein Recht auf Selbstverteidigung. Deutschland stehe in dieser Frage an der Seite Israels. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) verlangte neue Bemühungen für eine Einstellung der Kämpfe. „Das Engagement der arabischen Nachbarstaaten für eine Waffenruhe muss weitergehen“, sagte Steinmeier bei einem Besuch in Mexiko. Die Türkei beantragte ein Dringlichkeitstreffen des UN-Menschenrechtsrats und der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC), wie Außenminister Ahmet Davutoglu ankündigte. „Wir verurteilen die von Israel nach den inhumanen Morden durch Luftangriffe begonnene Bodenoperation in Gaza auf das Schärfste.“ Israel zieht nach gewalttätigen Protesten vor seinen Vertretungen in Ankara und Istanbul einen Teil seiner Diplomaten aus der Türkei ab. Das Verhältnis zwischen beiden Staaten ist seit Jahren angespannt. Der Iran verurteilte das Vorgehen seines Erzfeindes Israel scharf. „Das ist ein neues Kapitel der unmenschlichen Verbrechen des zionistischen Regimes (Israel)“, sagte Außenamtssprecherin Marsieh Afcham. Die Bodenoffensive grenze an ein Kriegsverbrechen. (dpa)
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