Konflikt um Gaza: Israel weitet Bodenoffensive aus
Mit Panzern, Artillerie und Soldaten geht Israel gegen die militärischen Stellungen der Hamas vor. Erklärtes Ziel ist es, vor allem die Tunnel zu zerstören, die die Islamisten nutzen, um nach Israel vorzudringen. Die USA betonen zwar das Recht des jüdischen Staates auf Selbstverteidigung, mahnen aber auch Zurückhaltung an.
Die Kämpfe werden immer heftiger: Mit dem Einsatz von Panzern, Artillerie und Infanterie-Einheiten haben die israelischen Streitkräfte ihre Bodenoffensive gegen die radikalislamische Hamas im Gazastreifen nochmals ausgeweitet. Der Küstenstreifen wurde am Freitag auch von Schiffen der Marine unter Beschuss genommen. "Wir setzen auf sehr viel Feuerkraft und Artillerie", erklärte ein Armeesprecher. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte, Israel sei bereit, die Offensive "erheblich" auszuweiten. Nach Angaben der Behörden des Küstenstreifens sind seit Beginn der Bodenoffensive am Donnerstagabend 23 Palästinenser getötet worden. Zudem kam ein israelischer Soldat ums Leben. Die Hamas feuerte erneut Raketen auf Israel ab.
Der Gazastreifen wurde am frühen Morgen immer wieder von Lichtblitzen erleuchtet. Die israelischen Einheiten feuerten vom Mittelmeer aus Leuchtspurmunition ab, Hubschrauber schossen über die Grenze hinweg in das dicht besiedelte Gebiet, in dem 1,8 Millionen Menschen leben. Die Armee veröffentlichte Filmaufnahmen, auf denen Panzer über die Grenze hinweg in die Sanddünen von Gaza fuhren. Sie wurden von zahlreichen Soldaten am Boden begleitet. Armeesprecher Motti Almos sagte, in dem Palästinensergebiet seien viele Soldaten im Einsatz. Sie nähmen Stellungen der Hamas und Tunnel ein.
Mit der Aktion will Israel nach eigenen Angaben Tunnel zerstören, die Hamas-Extremisten unter der Grenze hindurch graben, um Zivilisten zu töten oder sie als Geiseln zu nehmen. Zudem werden die Anlagen offenbar genutzt, um Raketen zu verstecken. Ein Sturz der Hamas ist nach israelischen Angaben nicht das Ziel der Aktion.
Militärhistoriker verteidigt Israels Vorgehen
Israel habe keine Alternative, als eine Bodenoffensive zu starten, um die Tunnel, die die Hamas bis nach Israel gegraben hat, zu zerstören, sagte Botschafter Yakov Hadas-Handelsman dem Tagesspiegel. "Als die Streitkräfte gestern einen Angriff der Hamas auf Zivilisten im Kibbuz Sufa verhinderten, konnten wir erneut sehen, dass diese Anlagen eine reale und unmittelbare Bedrohung für die Zivilbevölkerung Israels darstellen." Der jüdische Staat wünsche sich - so wie jede andere Regierung auch - nur Ruhe und Frieden für seine Bürger, betonte der israelische Diplomat. "Die Bodenoperationen werden andauern, bis dieses Ziel erreicht ist."
Auch Martin van Creveld, der weltweit als einer der renommiertesten Militärhistoriker gilt, verteidigte die Aktionen der israelischen Armee. "Da es der Hamas nicht gelungen ist, Israel mit seinen Raketen zu beeindrucken, konzentriert sie sich jetzt auf ihre Tunnel." Diese seien eine ernste Gefahr für den jüdischen Staat und seine Bürger, sagte der emeritierte Professor für Geschichte an der Hebräischen Universität Jerusalem. Durch diese gelangten Terrorkommandos auf israelisches Territorium. Das sei eine Bedrohung für die nahe der Grenze gelegenen Siedlungen und deren Einwohner.
Die Tunnel könnten aber eben nicht aus der Luft entdeckt und bekämpft werden. "Deshalb ist eine Bodenoffensive unumgänglich." Van Creveld verwies darauf, dass sich die Eingänge der Tunnel hauptsächlich im nördlichen Teil des Gazastreifens befänden. Dieses Gebiet sei vergleichsweise wenig bewohnt. Zudem habe es viele Warnungen gegeben, dort die Häuser zu verlassen.
Die Hamas greift Israel seit der vergangenen Woche verstärkt mit Raketen an. Jeden Tag werden im Durchschnitt mehr als 100 der Geschosse abgefeuert. Den Streitkräften war es trotz intensiver Luftangriffe auf den Gazastreifen nicht gelungen, die Angriffe zu stoppen. Bei den Bombardierungen durch Israel sind nach palästinensischer Darstellung seit Beginn der Kämpfe am 8. Juli insgesamt 251 Menschen ums Leben gekommen, die meisten von ihnen Zivilisten.
Hoffnung auf Feuerpause vergeblich
Noch am Donnerstag hatte es Hoffnung auf eine von Ägypten vermittelte Feuerpause gegeben. Netanjahu erklärte, die Hamas habe diese abgelehnt und weiter Raketen auf israelische Städte abgefeuert. Sein Sicherheitskabinett habe dann die Bodenoffensive angeordnet. Die Kämpfe sind die schwersten in dem Konflikt seit zwei Jahren. Am Freitag berät auch der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen darüber. Nach der Ankündigung der Offensive forderte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon Israel eindringlich auf, größere Anstrengungen zu unternehmen, um zivile Opfer zu vermeiden.
US-Außenminister John Kerry erklärte, Israel habe ein Recht auf Selbstverteidigung und werde von den USA unterstützt. Er habe in einem Telefonat mit Netanjahu aber auch gesagt, dass der Einsatz von Soldaten im Gazastreifen eine "präzise Operation" sein sollte, erklärte sein Ministerium. Kerry habe in einem Telefonat mit Netanjahu zudem Schritte für eine Deeskalation des Konflikts angemahnt.
In der Türkei kam es zu Protesten gegen die Bodenoffensive. Demonstranten griffen die diplomatischen Vertretungen Israels in Istanbul und Ankara an und warfen Scheiben ein. In Istanbul setzte die Polizei Tränengas und Wasserwerfer ein. In Ankara griffen die Beamten nicht ein. (mit rtr)