Nahost: Israel setzt Friedensgespräche aus
Nach der Annäherung der Palästinenserorganisationen von Hamas und Fatah reagiert Israel brüsk. Die radikalislamische Hamas ist für Israel ein rotes Tuch. Die Palästinenser aber betonen, die Hamas werde gar nicht in der geplanten Übergangsregierung sitzen.
Israel hat die Friedensgespräche mit den Palästinensern wegen der innerpalästinensischen Aussöhnungsbemühungen von Fatah und Hamas ausgesetzt. Dies habe das Sicherheitskabinett unter Leitung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Donnerstag beschlossen, berichteten mehrere israelische Medien übereinstimmend. Die neunmonatige Frist für die Gespräche läuft kommenden Dienstag aus, ohne dass es eine sichtbare Annäherung beider Seiten gegeben hätte.
Die USA zeigten Verständnis. Es sei schwer denkbar, dass Israel mit jemanden verhandeln solle, der „die Existenz Israels nicht anerkennt“, sagte die Sprecherin des US-Außenamts, Jen Psaki.
Zudem werde Israel wirtschaftliche nicht weiter erläuterte Sanktionen gegen die Palästinenser verhängen, berichtete die Zeitung "Times of Israel". Außenminister Avigdor Lieberman hatte schon zuvor betont, es werde keine Friedensvereinbarung mit einer Palästinenserführung geben, an der auch die radikalislamische Hamas beteiligt ist. In der Erklärung von Netanjahus Büro war darüber hinaus von weiteren "Maßnahmen" als Antwort auf die "einseitigen" Beschlüsse der palästinensischen Autonomieverwaltung die Rede.
In der Übergangsregierung sollen keine Hamas-Mitglieder sitzen
Die Europäische Union hat das Aussöhnungsabkommen der Palästinenser dagegen als "wichtigen Schritt zu einer Zwei-Staaten-Lösung" begrüßt. Vorrang müssten aber die israelisch-palästinensischen Friedensgespräche haben - und zwar über den 29. April hinaus, erklärte ein Sprecher des Diplomatischen Diensts der EU am Donnerstag. Die EU-Erklärung wurde vor dem Bekanntwerden eines israelischen Kabinettsbeschlusses zur Aussetzung der Friedensgespräche veröffentlicht. Der EU-Sprecher erinnerte daran, dass die EU die Palästinenser wiederholt dazu aufgefordert habe, sich zu versöhnen und hinter Palästinenserpräsident Mahmud Abbas zu vereinen. Es gehe um die "Koexistenz" des "künftigen palästinensischen Staats" mit Israel. Begrüßenswert nannte der Sprecher auch die in dem Versöhnungsabkommen vorgesehene "Perspektive authentisch demokratischer Wahlen".
Die von Abbas' nationalistischer Fatah-Partei dominierte PLO hatte am Mittwoch mit der radikalislamischen Hamas, die seit dem Jahr 2007 den Gazastreifen beherrscht, vereinbart, binnen fünf Wochen eine gemeinsame Übergangsregierung zu bilden. Innerhalb von sechs Monaten sollen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen folgen. Die Hamas spricht Israel das Existenzrecht ab und will auch gewaltsam gegen Israel vorgehen. Die USA und europäische Länder stufen sie als Terrororganisation ein.
In der von den Palästinensern angekündigten gemeinsamen Übergangsregierung sollen keine Mitglieder der radikalislamischen Hamas sitzen, bestätigt Hamaskreisen im Gazastreifen am Donnerstag. Das Kabinett unter Leitung von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas werde nur aus Fachleuten bestehen, hieß es weiter. Israels Außenminister Avigdor Lieberman schloss jedoch eine Einigung mit einer Palästinenserführung, an der auch die Hamas beteiligt ist, kategorisch aus.
Beide Seiten werfen sich vor, keinen Frieden zu wollen
Palästinensische Funktionäre äußerten sich beschwichtigend zu den Konsequenzen einer möglichen Versöhnung. Das hochrangige Mitglied der PLO, Dschibril Radschub, betonte, die Palästinenser würden auch nach einer Versöhnung weiter die Zwei-Staaten-Lösung anstreben, auf Gewalt verzichten und Israels Existenzrecht anerkennen. Für die Hamas wäre dies eine Kehrtwende ihrer bisherigen Politik. Der Vize-Beauftragte der Hamas für die Außenbeziehungen, Gazi Hamad, sagte im israelischen Rundfunk, seine Organisation würde einen Palästinenserstaat in den Grenzen von 1967 akzeptieren. Aber er sei überzeugt, dass Israel keinen Frieden wolle.
Der Chefunterhändler der Palästinenser, Saeb Erekat, äußerte sich enttäuscht über Israels Reaktion. „Netanjahu und seine Regierung haben den innerpalästinensischen Streit immer als Vorwand missbraucht, um keinen Frieden schließen zu müssen. Jetzt wollen sie die Versöhnung zum gleichen Zweck nutzen. Das ist völlig absurd“, zitierte ihn die amtliche palästinensische Nachrichtenagentur Wafa.
„Die einzige logische Schlussfolgerung ist, dass Israel keinen Frieden will“, fügte Erekat hinzu. Genau den gleichen Vorwurf hatte Netanjahu am Vortag gegen Palästinenser erhoben: „Wer Hamas wählt, will keinen Frieden.“ Radschub bekräftigte jedoch: „Wenn die Regierung der nationalen Übereinkunft mit Abu Mazen (Abbas) steht, wird er deutlich und unmissverständlich die Bedingungen der Nahost-Quartetts und die Zwei-Staaten-Lösung akzeptieren.“ Dem Nahost-Quartett gehören die USA, die EU, die UN sowie Russland an. Für die Anerkennung einer Palästinenserregierung haben sie drei Bedingungen genannt: die Anerkennung des Existenzrechts Israels und bisheriger Vereinbarungen sowie einen Gewaltverzicht. (dpa/AFP)