Irak und Syrien: Isis-Miliz macht ernst mit dem Kalifenstaat
Der von der Isis ausgerufene Gottesstaat setzt den irakischen Premier unter Druck. Die Miliz baut bereits eigene Behörden auf. Die USA verstärken den Schutz ihrer Botschaft im Irak und entsenden bis zu 200 weitere Soldaten in die Hauptstadt Bagdad.
Den Fastenmonat Ramadan hat die Isis-Miliz mit einem Paukenschlag begonnen: Sie wählte den Beginn dieser Muslimen heiligen Zeit, um ihr Kalifat auszurufen, das in einem ersten Schritt vom syrischen Aleppo im Norden bis in die irakische Provinz Diyala im Süden reicht. Der Isis-Vorsitzende Abu Bakr al Baghdadi nennt sich nun Kalif Ibrahim und erhebt den Anspruch, alle Muslime weltweit zu vertreten. Das wird auch durch eine Namensänderung ausgedrückt. Isis nennt sich fortan schlicht „Islamischer Staat“. Die Gebietsbezeichnungen „Irak“ und „Großsyrien“ hat die Miliz nun fallen lassen.
Der medienscheue Baghdadi hat die Ankündigung nicht selbst gemacht. Über seinen Sprecher Mohammed al Adnani ließ er verkünden, es sei Zeit, dass die Umma (die islamische Weltgemeinschaft) Mohammeds wiederauferstehe. Muslime sollten sich von Demokratie, Laizismus, Nationalismus und anderen westlichen Verfehlungen ab- und zu ihrer Religion zurückkehren. Mit der Errichtung des Kalifats hätten zudem alle anderen dschihadistischen und islamistischen Gruppen ihre Legitimität verloren, ließ Sprecher al Adnani wissen.
Die USA verstärken daraufhin den Schutz ihrer Botschaft im Irak und entsenden bis zu 200 weitere Soldaten in die Hauptstadt Bagdad. Diese sollten die diplomatische Vertretung sowie den internationalen Flughafen in Bagdad schützen, kündigte US-Präsident Barack Obama am Montag in einem Schreiben an den Kongress in Washington an. Mitte Juni hatte er bereits die Entsendung von bis zu 275 Soldaten verkündet, die US-Bürger und die Botschaft im Irak schützen sollen. Zudem sollen bis zu 300 US-Militärberater die irakische Armee im Kampf gegen die Dschihadisten unterstützen.
Jede Opposition wird brutal unterdrückt
Was das Kalifat für die Bevölkerung in den eroberten Gebieten bedeutet, hatte Isis bereits in einem 16-Punkte-Kodex mit strikten Verhaltensregeln untermauert, darunter die Androhung von Peitschenhieben für Ungehorsam. Menschenrechtsorganisationen haben dokumentiert, dass die Organisation jede Opposition mit brutalsten Mitteln unterdrückt, auch mit Massenexekutionen.
Dass Isis auch mit dem neuen Staat ernst macht, lässt sich in Hawija sehen: Ein irakischer Reporter, der in die Kleinstadt gelangen konnte, berichtete von neuen Isis-Institutionen dort: Im Büro für verdeckte Operationen werden Bewegungen des Feindes beobachtet, im Haus des Stadtparlamentes ist eine Stelle für die Beziehungen mit der lokalen Bevölkerung eingerichtet. Hawija, eine irakische Kleinstadt, in der Sunniten, Kurden und Turkmenen leben, liegt 55 Kilometer südwestlich von Kirkuk und war ein Zentrum des Widerstandes gegen die USA. Im April 2013 hat die irakische Armee hier Proteste blutig niedergeschlagen, dabei gab es mindestens 53 Tote.
Gegenoffensive in Saddam Husseins Heimat
Erst in den kommenden Tagen und Wochen wird sich zeigen, wie sich der Machtanspruch von Isis auf die militärische Zusammenarbeit mit den andern Akteuren in diesem sunnitischen Aufstand – Ex-Offiziere des Saddam-Regimes, Salafisten-Gruppen oder die lokale Bevölkerung – auswirkt. Die meisten von ihnen vertreten eine ganz andere Ideologie. Ihr Hauptziel ist es, den irakischen Regierungschef Maliki von der Macht zu verdrängen und mehr Eigenständigkeit für die sunnitischen Regionen zu erkämpfen.
Mit Waffen wird dieser Kampf derzeit erbittert in Saddams Geburtsort Tikrit ausgefochten, 160 Kilometer nördlich von Bagdad. Tikrit fiel am 11. Juni den Militanten in die Hände. Hier hat die irakische Armee mit einem großen Aufgebot an Soldaten und Ausrüstung am Wochenende ihre Gegenoffensive lanciert. Während die Regierungstruppen Erfolge vor allem gegen Isis-Kämpfer vermeldeten und bereits eine sinkende Moral festgestellt haben wollen, sprachen die Dschihadisten ihrerseits auch von Geländegewinnen. Die irakische Armee, die die Ausrufung des Kalifats als Gefahr für alle Nationen bezeichnete, wird aus der Luft unterstützt und erhält Planungshilfe von den US-Militärberatern.
Iraks Premier muss sich jetzt beweisen
Premier al Maliki ist mit dem Schritt der Isis zusätzlich unter Druck, eine politische Lösung zu suchen, wie das die USA von ihm fordern. Am Dienstag soll das neu gewählte Parlament erstmals zusammentreten. Dann wird sich zeigen, ob Maliki zu mehr Flexibilität bereit ist oder auf seinem dritten Mandat als Regierungschef beharrt. Eine neue Amtszeit für ihn lehnen inzwischen auch seine einstigen schiitischen Verbündeten ab.
In den vergangenen Tagen wurden 180 US-Militärberater in den Irak verlegt, um sich ein besseres Bild von der Lage zu machen und die einheimischen Sicherheitskräfte im Kampf gegen die Sunnitengruppe Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien (Isis) zu unterstützen. Insgesamt befinden sich damit derzeit rund 500 US-Soldaten auf irakischem Boden, viele von ihnen gehören Eliteeinheiten an. An Kampfhandlungen gegen die sunnitischen Extremisten sollen sie sich aber nicht beteiligen. Obama hatte den Einsatz von Bodenkampftruppen im Irak ausgeschlossen, die Möglichkeit für Luftangriffe hielt er sich aber offen. Ende 2011 waren die letzten US-Soldaten aus dem Irak abgezogen worden.
Astrid Frefel
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