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Die Terrorgruppe Isis verbreitet im Irak Angst und Schrecken. Die Armee ist ihnen scheinbar nicht gewachsen.
© AFP

Terror im Irak: Isis-Dschihadisten brüsten sich mit Massaker an 1700 Schiiten

Eigenen Angaben zufolge haben Isis-Dschihadisten 1700 irakischen Schiiten hingerichtet. Entsprechende Fotos veröffentlichte die Terrorgruppe auf ihrer Webseite. Nach Angaben von "Ärzte ohne Grenzen" sind mittlerweile eine Million Iraker auf der Flucht.

Während in der Irak-Krise mittlerweile sogar eine militärische Kooperation zwischen den Erzfeinden Iran und USA in den Bereich des Möglichen rückt, verbreiten die blutrünstigen Kämpfer des „Islamischen Staats in Irak und Syrien (ISIS)“ unter der Bevölkerung Angst und Schrecken. Auf ihrer Website brüsteten sich die Extremisten am Samstagabend mit Fotos von einem Massaker an 1700 irakischen Schiiten in der Umgebung von Tikrit, ein Teil der 4500 Soldaten und Polizisten, die sie zwei Tage zuvor nach eigenen Angaben gefangen und gefesselt in langen Kolonnen durch die Straßen paradiert hatten. Die beklemmenden Bilder zeigen maskierte Exekutionskommandos, die in flachen Gruben liegende, gefesselte Männer - teilweise in Zivil, teilweise in Uniform - erschießen. Andere Opfer sitzen dicht gedrängt auf Lastwagen, die sie offenbar zur Hinrichtungsstätte fahren. Der Sprecher des irakischen Oberkommandos, General Qassim al-Moussawi, bestätigte am Sonntag gegenüber AP, die Fotos seinen authentisch.

Eine Million Iraker auf der Flucht

In Mosul durchkämmen Jihadisten derweil die Wohnblocks mit Namenslisten von Polizisten und städtischen Beamten. Manche, die sie antrafen, wurden sofort erschossen, andere geschont, wenn sie einen öffentlichen Reueschwur ablegten. Die UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay verurteilte das hemmungslose Morden scharf und äußerte sich extrem besorgt über „die gefährliche Lage von Minderheiten, Frauen und Kindern“. Nach Angaben von „Ärzte ohne Grenzen“ ist inzwischen eine Million Iraker auf der Flucht, die meisten haben sich im kurdischen Norden in Sicherheit gebracht.

Irans Präsident Hassan Rowhani schloss am Wochenende in Teheran eine militärische Zusammenarbeit mit der US-Armee auf irakischem Boden nicht aus. „Wenn wir sehen, dass die Vereinigten Staaten etwas gegen die Terrorgruppen tun, dann könnten wir darüber nachdenken“, sagte er und fügte hinzu, wenn nötig, könne man auch Kontakt mit der US-Führung aufnehmen. Der britische „Guardian“ berichtete unter Berufung auf einen hohen irakischen Offizier, ein Vorauskommando von 2000 Revolutionären Garden sei bereits in den Irak verlegt worden. Der Chef der iranischen Al-Quds-Elitetruppe, General Qassem Suleimani, befindet sich seit Tagen in Bagdad, um die Militäraktionen mit der irakischen Armeespitze zu koordinieren.

In Washington erklärte Barack Obama, er halte sich verschiedene militärische Optionen offen, schloss aber einen Einsatz von Bodentruppen aus. Der US-Präsident ließ den Flugzeugträger USS George H.W. Bush und mehrere Kampfschiffe in den Persischen Golf verlegen, machte in seiner Erklärung ein Eingreifen allerdings ausdrücklich davon abhängig, dass die irakische Führung „ernsthafte und aufrichtige Anstrengungen unternimmt, die religiösen und ethnischen Differenzen zu überwinden.“ Außenminister John Kerry bekräftigte, die USA würden den Irak in dieser Situation nicht im Stich lassen. Das geistliche Oberhaupt der irakischen Schiiten, Großayatollah Ali al-Sistani, der die Bevölkerung am Freitag zu den Waffen gerufen hatte, beschwor am Wochenende in einer zweiten Erklärung seine Landleute, vor allem wenn sie in religiös gemischten Vierteln lebten, „höchstmögliche Zurückhaltung zu üben und das Recht nicht in die eigene Hand zu nehmen“.

Irakische Regierung in totaler Auflösung und Panik

Die rasch aktivierten, erstaunlich gut bewaffneten schiitischen Milizenbrigaden, die teilweise vom Iran trainiert sind, haben nach Berichten von Augenzeugen die militärische Lage in den letzten 48 Stunden etwas stabilisieren können. Einige kleinere Ort in den Provinzen Salah ad-Din und Diyala wurden zurückerobert, doch die Situation insgesamt ist nach wie vor sehr kritisch. „Die Terroristen breiten sich aus wie ein Virus, Bagdad hat nichts mehr im Griff“, zitierte die „New York Times“ einen kurdischen Kommandeur, der Anfang letzter Woche mit seinen Truppen die Stadt Kirkuk übernommen hat und jetzt gegen Angriffe der Extremisten sichert. Ein ungenannter irakischer Minister berichtete der BBC, letzte Woche Mittwoch und Donnerstag sei die gesamte irakische Regierung in totaler Auflösung und Panik gewesen.

In Bagdad und rund um die Stadt Samarra verstärkten die Milizen inzwischen die regulären Armeeeinheiten. Samarra, etwa 110 Kilometer von der Hauptstadt entfernt, hat wegen seiner Goldenen Moschee hohe symbolische Bedeutung für Iraks Schiiten. Zwei Mal bereits versuchten die sunnitischen Extremisten in den vergangenen zehn Tagen, das Al-Askari-Mausoleum zu erobern und zu zerstören. Ein Al-Qaida-Bombenattentat auf das Gotteshaus im Februar 2006 löste einen zweijährigen Bürgerkrieg mit fast 60.000 Toten aus. In Bagdad waren viele Bewohner damit beschäftigt, Lebensmittel zu horten. In Sadr-City, der schiitischen Teilstadt mit zwei Millionen Einwohnern, bildeten die Bewohner Bürgerwehren und legten Waffendepots an. Lange Schlangen junger Männer warteten vor den Rekrutierungsbüros diverser Schiitenmilizen in Moscheen, auf dem alten Al-Muthanna-Flughafen sowie vor den Villen prominenter schiitischer Geistlicher und Politiker. Den ganzen Sonntag kreisten Konvois mit Freiwilligen hupend und waffenschwenkend durch die Straßen. TV-Aufnahmen zeigten Soldaten im Umland der Hauptstadt, die Schützengräben aushoben.

Seit 2003, dem Einmarsch von US-Truppen in den Irak, sind die USA und der Irak eng aneinander gekettet. Lesen Sie mehr darüber in der Chronik der Ereignisse.

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