Steinbrück und die Linken: Irritationen über mögliche Koalitionen
Ein Regierungsbündnis mit der Linkspartei hält der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück zwar erstmal für unmöglich. Auf Dauer will er aber keine der demokratischen Parteien als möglichen Koalitionspartner ausschließen - und nennt einen Zeitrahmen, in dem man auf die Linke zugehen könne.
Nach Irritationen über die Koalitionsabsichten der SPD hat deren Kanzlerkandidat Peer Steinbrück seine Absage an eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei bekräftigt. "Die Linkspartei ist für die SPD nicht koalitionsfähig, weil diese Partei in wichtigen Politikfeldern völlig indiskutable Positionen vertritt", sagte Steinbrück dem Tagesspiegel. Er fügte hinzu: „Jetzt nicht und für die kommende Legislaturperiode nicht“. Eine Koalition mit der Linkspartei in den Jahren 2013 bis 2017 komme „eben so wenig infrage wie eine Duldung“. In dieser Frage sei sich die gesamte SPD-Führung einig.
FDP-Spitzenkandidat Rainer Brüderle hatte der SPD nach Äußerungen Steinbrücks vorgeworfen, sich im Geheimen bereits auf ein Bündnis mit der Linkspartei vorzubereiten. Steinbrück hatte am Donnerstag in einem Interview für 58 private Radiosender zwar eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei direkt nach der Wahl abgelehnt, ein solches Bündnis im Laufe der nächsten Legislaturperiode aber nicht ausgeschlossen. “Wir wären Hasardeure, wenn wir mit der Linkspartei in ihrem jetzigen Zustand eine Koalition bilden würden. Das kann in drei, vier, fünf, sechs, sieben Jahren anders sein“, hatte Steinbrück gesagt. Auf Dauer wolle er „gar nichts“ ausschließen. „Ganz prinzipiell und auf Dauer sage ich, werden alle demokratischen Parteien koalitionsfähig sein müssen“, sagte Steinbrück in dem Interview mit den Radiostationen.
Steinbrück unterstützte die Aussage von SPD-Chef Sigmar Gabriel, der erklärt hatte, die traditionsreiche SPD habe noch nie mit Deutschland gespielt. „Den Satz finde ich gut, auch gut formuliert von Sigmar Gabriel“, sagte Steinbrück. Bei der Beschreibung der Linkspartei hielt sich Steinbrück an das, was er seit Wochen sagt. Sie sei „für die absehbare Zeit“ eine „Partei, die aus drei Parteien besteht“. Der SPD-Spitzenkandidat lobte die Linkspartei in Ostdeutschland, die dort auch bereit sei zur Übernahme von Verantwortung. Dabei erwähnte er besonders den brandenburgischen Linken-Finanzminister Helmuth Markov, „der diese Verantwortung auch wahrnimmt“. Auf der anderen Seite stünden eine „Kommunistische Plattform von Frau Wagenknecht“ sowie eine „sehr sektiererische Linkspartei in Westdeutschland, die ich in ihren Ursprungsformen alle schon mal erlebt habe. Als KBW, als KPD/ML, als Krypto-Anarchisten“.
Die Linken werben seit Monaten für Rot-Rot-Grün
Auf den Einwand des Interviewers Stefan Aust, viele der Sektierer seien aber auch in die Grünen gegangen, sagte Steinbrück: „Teils. Teils fand man sie aber auch wieder bei der SPD, weil sie keine andere Chance hatten dann über die siebziger, achtziger Jahre. Dann sind sie mit Gründung der Linkspartei wieder zurückgegangen.“ Er betonte: Aber mit denen kann ich nicht regieren. Ich kann nicht ein Land wie die Bundesrepublik Deutschland in dieser Phase mit 80 Millionen Menschen in dieser europäischen Bedeutung regieren, indem ich jede Woche in diese Linkspartei rein horchen muss, wie dort gerade Mehrheiten zustande kommen.“
Linken-Spitzenkandidat Gregor Gysi und andere führende Politiker seiner Partei werben seit Monaten um ein rot-rot-grünes Regierungsbündnis im Bund. Die Chancen dafür werden 2013 wegen der abweisenden Haltung von SPD und Grünen als sehr schlecht eingeschätzt. Gysi kann sich allerdings vorstellen, dass die SPD, sollte es am 22. September eine rot-rot-grüne Mehrheit geben, im Verlauf der Wahlperiode eine große Koalition unter Unionsführung aufkündigt und sich auf ein Linksbündnis einlässt. Eine Tolerierung von Rot-Grün will die Linke nicht, auch mit einem Kanzler Steinbrück gilt eine Koalition als undenkbar.
Auch die stellvertretende Linken-Chefin Sahra Wagenknecht hat die Möglichkeit einer Koalition mit SPD und Grünen noch nicht abgeschrieben. „Je besser unser Ergebnis, desto größer ist die Chance, dass die SPD zur Besinnung kommt und sich daran erinnert, was sozialdemokratische Politik von Bebel bis Brandt einmal ausgemacht hat“, sagte sie dem „Handelsblatt“. Insbesondere in der Euro-Politik halte sie Gemeinsamkeiten mit der SPD für möglich, erläuterte Wagenknecht. Sie sagte: „Wenn sich die Meinung in der SPD durchsetzt, dass Wachstum in den Krisenländern nicht durch brachiale Spardiktate erzeugt wird und Banken für ihre Verluste gefälligst selber haften sollen und nicht der Steuerzahler, dann hätten wir Gemeinsamkeiten.“ Allerdings kämen beide Parteien „mit Sicherheit nicht zusammen“, sollte die SPD im Sinne von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und der EU-Kommission dafür streiten, den Euro-Schutzschirm ESM zu einem gigantischen Bankenrettungsschirm umzufunktionieren.
Matthias Meisner, Hans Monath